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Montag, 16. November 2015

Presseartikel der TLZ zur Konzertlesung " 25 Jahre Deutsche Einheit- Wo stehen wir?"

Ein DDR-Koffer mit Kostbarkeiten

 
Matthias Gehlers bemerkenswerte Konzertlesung im Eichsfeldforum

 
Heiligenstadt. Ein Schreihals wollte er nie sein, obwohl ihm und vielen anderen Menschen mitunter nach Schreien zumute war. Davon erzählt eines seiner Lieder, die noch lange nachwirken. Seine Stärke sind die leisen Töne,  die eindringlichen, niemals aufdringlichen Worte. Wenn es angeraten war, sein Anliegen so vorzubringen, dass, wer wollte, zwischen den Gedichtzeilen las, halfen ihm graue Spatzen oder der Hecht im Karpfenteich als Fabeltiere. Matthias Gehler öffnete seinen Original-DDR-Koffer und hatte zwei Gitarren mitgebracht. Zur Konzertlesung am Donnerstag im
Marcel-Callo-Haus, einer besonderen Form des Eichsfeldforums.
 
Sein Platz ist im MDR-Landesfunkhaus Thüringen in Erfurt, als stellvertretender Direktor, Chefredakteur und Hörfunkchef. Er hat Theologie in Deutschland, Psychologie und Kommunikation in Großbritannien studiert, war 1990 Staatssekretär und Regierungssprecher der ersten frei gewählten DDR-Regierung, mit Angela Merkel als Stellvertreterin. Matthias Gehler blieb fortan keine Zeit mehr, das zu tun, was ihm in der DDR Beifall und Einladungen von Gleichgesinnten eingebracht hatte, kritisches Beäugen und Gängelei von jenen, die kraft ihrer Macht, aber nur allzu häufig ohne Sachverstand, sich zu Bestimmern erhoben. Rund 50 Konzerte pro Jahr hat der Liedermacher gegeben. Ein Vierteljahrhundert später haben ihn Freunde und ehemalige Veranstalter ermutigt, Koffer und Gitarre wieder hervorzuholen.
 
Im Koffer liegen, wohlverwahrt, u.a. seine selbstgebauten Utensilien, der Mundharmonika und der –Gitarrenhalter und seine Quickmappen mit den damaligen Programmen. Sein wertvollstes Dokument ist die staatliche Genehmigung, als Liedermacher arbeiten zu dürfen – und hierfür musste er sich, um eine Verlängerung zu erhalten, im Drei-Jahres-Rhythmus einer gestrengen Jury stellen, die seine Texte argwöhnisch prüfte. Begriffe aus der DDR-Alltagssprache wie „Quickmappe“, „VEB“ (wo er  einen Facharbeiterberuf erlernte) und „Messe der Meister von morgen“ (in der BRD „Jugend forscht“) brauchte Matthias Gehler im Marcel-Callo-Haus nicht zu erklären. Wenige Kilometer weiter westlich ist das schon anders. So wussten beispielsweise seine Zuhörer in der Umgebung Duderstadts mit dem Begriff „VEB“ für die volkseigenen Betriebe in der Deutschen Demokratischen Republik nicht anzufangen. 
 
Für seine aktuelle Tournee hat er noch etwas dazu gepackt: ein Buch mit Liedtexten und wahren Geschichten aus seinem Alltag im Osten Deutschlands und eine CD mit Liedern. Titel: „Wenn Gedanken Flügel hätten“. Eine Liedzeile lautet: „Wir gossen Fundamente und mauerten uns ein...“ Bei seinen aktuellen Konzerten, zu denen er spielt, singt, seine Gedichte rezitiert, Geschichten aus seinem Leben erzählt und vorliest, sprechen ihn mitunter junge Leute an und fragen: “Wieso sind das Lieder von früher? Das sind doch Texte von heute!“ Diese Meinung war am Donnerstag von etlichen Besuchern jenseits des Jugendalters ebenfalls zu vernehmen und ist spätestens bei der im Lied gestellten Frage nachvollziehbar: „Warum sind wir oft so blind für Gesichter, die vom Leben gezeichnet sind?“ Die musikalisch-literarische Zeitreise endete viel zu schnell.
Zahlreiche Zuhörer waren neugierig auf einen handgeschriebenen Brief Angela Merkels an Matthias Gehler aus dem Jahr 1990. Er bringt ihn zu seinen Auftritten mit, als Kopie. Von Dankbarkeit für das 1989 Geschehene sprach Moderator Dario Pizzano. Und von Achtsamkeit, die wir in der Gegenwart so dringend brauchen.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journal.Christine Bose

Presseartikel der TLZ " Was Kinder stark macht in schweren Zeiten"


Glauben für ein erfülltes Leben
 
Göttinger Kinderärztin Dr. med. Herrad C. Hinz sprach im Eichsfeldforum 

Heiligenstadt. Schon als Dr. med. Herrad C. Hinz aus Göttingen, bekannte Kinderärztin im
Ruhestand, zum Thema „Bindungen – Warum wir nicht alleine leben können!“ im Eichsfeldforum gesprochen hatte, war das Zuhörerinteresse riesengroß. Grund genug, sie Ende Oktober 2015 erneut ins Marcel-Callo-Haus einzuladen. Diesmal mussten die Organisatoren mit Moderator Dario Pizzano sogar noch zusätzliche Tische und Stühle aufstellen. „Was Kinder stark macht in schweren Zeiten“ lautete das Thema. Es sprach auch jene Besucher an, die keine Kinder oder keine mehr zu Hause haben und keinen pädagogischen Beruf ausüben.

Die Referentin verzichtete auf ihr Honorar zu Gunsten der in Chile lebenden deutschen Ordensschwester Karoline Mayer und der von der Ordensfrau gegründeten „Fundación Cristo Vive“. Die Stiftung, deren Anliegen es ist, den Ärmsten ein menschwürdiges Leben zu ermöglichen, gibt es inzwischen außer in Chile in Bolivien und Peru. Unterstützt wird sie vom gemeinnützigen Verein Cristo Vive Europa e.V..
 
Dr. H.C. Hinz
Der Begriff „schwere Zeiten“ steht in den Ausführungen der Kinderärztin als Synonym für Gewalt, Schläge, Bedrohung, Missbrauch, Verlust und seelische Vernachlässigung mit Erkaltung des Gefühlslebens. Dr. Hinz erläuterte die Möglichkeiten der Rückkehr in ein erfülltes Leben unter dem Stichwort „Resilienz“. Der aus dem Französischen stammende  Fachausdruck der Psychologie meint die psychische Widerstandsfähigkeit, zu deren Erreichen sogenannte „Goldene Fäden“ in der kindlichen Entwicklung notwendig sind. Sie entstehen u.a. durch Bindungen an geliebte Menschen und prägen sich ins Stammhirn ein. Erwachsene seien – so die Auffassung der Referentin – sehr schnell dabei, Kindern „etwas aufzudrücken“, ihnen zu wenig Zeit zu schenken und, oftmals ohne nach den Interessen des Kindes zu fragen, stets nur das Beste für seine Zukunft zu wollen. Mit Blick auf Schule und Beruf werden mitunter so viele Förder- und Bildungsangebote ausgeschöpft, dass kaum noch Gelegenheit zum Spielen bleibt, z. B. mal in der Natur und im Matsch. Und wie oft am Tag hört ein Kind Befehle aus Erwachsenenmund: „Los!“ „Mach das jetzt“, „Schnell!“ „Beeil dich!“, „Pass auf!“
 
Als Gegenteil der Vernachlässigung führte Dr. Hinz den Fehler an, dem Kind jeden Wunsch zu erfüllen, von den Augen abzulesen. Lernen muss es, mitunter auf etwas zu verzichten oder zumindest zu warten. Mit Blick auf die Generationen, die den 1. oder 2. Weltkrieg erlebt haben, besonders in der Kindheit, nannte die Ärztin schwer traumatisierte Menschen, denen sich nach dem überstandenen Grauen kaum jemand professionell zuwandte. Die Kinder bekamen statt dessen zu hören: „Reiß dich zusammen!!, „Sei froh, dass Du am Leben bist.“
Nicht einfach, aber unbedingt hilfreich dürfte es für Erwachsene sein, für das eigene Leben professionelle Ratschläge der Ärztin in die Tat umzusetzen. Dazu gehören für jedes Lebensalter: Sich mit dem Unglück auseinandersetzen; nicht schweigen, verzeihen können, sich bewegen, Leid in Kreativität verwandeln, anderen Glück bereiten, um selbst glücklich zu werden. Über all dem – davon ist sie überzeugt – steht der tiefe Glaube, zu dem jeder Mensch finden möge.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journalistin Christine Bose