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Montag, 29. Februar 2016

Presseartikel der TA und TLZ zu Martin Schleskes "DER KLANG"



Geigenbaumeister Martin Schleske zu Gast im Eichsfeldforum



Heiligenstadt.  Eine Geige hatte Martin Schleske aus Landsberg am Lech nicht mitgebracht, ins Marcel-Callo-Haus zum Eichsfeldforum am 24. Februar 2017. Wohl aber ein „Klangholz“, ein wertvolles Stück Holz, aus dem in seinem Meisteratelier für

Geigenbau ein Instrument werden soll. „Ich kann vom Holz nicht fordern, dass es sich nach mir richtet“, brachte er den notwendigen Einklang des Menschen mit der Natur zum Ausdruck.

Und er hatte sein erstes Buch dabei: „Der Klang – Vom unerhörten Sinn des Lebens“; sein zweites Buch, „Herztöne“, kommt bald auf den Markt. Zum Eichsfeldforum unter dem Titel des ersten Buches war einer der größten Geigenbauer der Gegenwart eingeladen worden. Fachleute stellen Martin Schleske (Jahrgang 1965),  Dipl. Ingenieur, Physikingenieur und Geigenbaumeister, mit dem berühmten Italiener Antonio Stradivari (1644-1737) auf eine Stufe.

In den Konzertsälen der Welt erklingen in den Händen namhafter Solisten Geigen aus der  bayerischen Werkstatt. Wer mit der Erwartung gekommen war, alles über den technischen Ablauf beim Werden einer Geige vom Baumstamm bis hin zum fertigen Streichinstrument zu erfahren, musste alsbald umdenken. 
Für Martin Schleske haben auch der Baum, das Holz für den Geigenbau, eine Seele. 

Nahezu atemlos lauschten die Besucher im voll besetzten Saal den anspruchsvollen und fesselnden Erzählungen des Gastes, seinen Gedanken und dem, was er im Buch aufgeschrieben hat. Als zutiefst gläubiger Mensch zog er des Nachdenkens werte philosophische Parallelen zwischen dem Geigenbau auf der einen Seite und den Religionen auf der anderen Seite, nannte Bibelstellen, führte Beispiele aus der jüdischen Religion, aus der russisch-orthodoxen Kirche an und ließ teilhaben an seinem innigen Gottesbezug. Nie aufdringlich und sensationell aufgemacht, sondern das Herz berührend. 

Er wolle nicht einfach einen Vortrag halten, sondern wünsche sich eine Begegnung mit den Menschen, die gekommen sind. Seine Bücher entstehen „an der Werkbank“. Dort nämlich liegt immer ein Notizbuch, in das der Meister seine Gedanken, Überlegungen, Fakten, Gefühle, Erlebnisse einträgt. 

Martin Schleske brennt für seinen Beruf, der ja eigentlich Berufung ist. „Ich habe bisher 230 Geigen gebaut und war noch nie zufrieden“, bekannte der Meister, um erklärend hinzuzufügen, „Zufriedenheit ist ein hochgradig unkreativer Zustand.“ Die eigene Einschätzung seiner Arbeit: „Ich bin dankbar.“


Den Vortrag ergänzten Geigenspiel (Gregor Bim) und Klavier (Kantor Siegfried Ihme).


mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journ. Christine Bose


Montag, 16. November 2015

Presseartikel der TLZ zur Konzertlesung " 25 Jahre Deutsche Einheit- Wo stehen wir?"

Ein DDR-Koffer mit Kostbarkeiten

 
Matthias Gehlers bemerkenswerte Konzertlesung im Eichsfeldforum

 
Heiligenstadt. Ein Schreihals wollte er nie sein, obwohl ihm und vielen anderen Menschen mitunter nach Schreien zumute war. Davon erzählt eines seiner Lieder, die noch lange nachwirken. Seine Stärke sind die leisen Töne,  die eindringlichen, niemals aufdringlichen Worte. Wenn es angeraten war, sein Anliegen so vorzubringen, dass, wer wollte, zwischen den Gedichtzeilen las, halfen ihm graue Spatzen oder der Hecht im Karpfenteich als Fabeltiere. Matthias Gehler öffnete seinen Original-DDR-Koffer und hatte zwei Gitarren mitgebracht. Zur Konzertlesung am Donnerstag im
Marcel-Callo-Haus, einer besonderen Form des Eichsfeldforums.
 
Sein Platz ist im MDR-Landesfunkhaus Thüringen in Erfurt, als stellvertretender Direktor, Chefredakteur und Hörfunkchef. Er hat Theologie in Deutschland, Psychologie und Kommunikation in Großbritannien studiert, war 1990 Staatssekretär und Regierungssprecher der ersten frei gewählten DDR-Regierung, mit Angela Merkel als Stellvertreterin. Matthias Gehler blieb fortan keine Zeit mehr, das zu tun, was ihm in der DDR Beifall und Einladungen von Gleichgesinnten eingebracht hatte, kritisches Beäugen und Gängelei von jenen, die kraft ihrer Macht, aber nur allzu häufig ohne Sachverstand, sich zu Bestimmern erhoben. Rund 50 Konzerte pro Jahr hat der Liedermacher gegeben. Ein Vierteljahrhundert später haben ihn Freunde und ehemalige Veranstalter ermutigt, Koffer und Gitarre wieder hervorzuholen.
 
Im Koffer liegen, wohlverwahrt, u.a. seine selbstgebauten Utensilien, der Mundharmonika und der –Gitarrenhalter und seine Quickmappen mit den damaligen Programmen. Sein wertvollstes Dokument ist die staatliche Genehmigung, als Liedermacher arbeiten zu dürfen – und hierfür musste er sich, um eine Verlängerung zu erhalten, im Drei-Jahres-Rhythmus einer gestrengen Jury stellen, die seine Texte argwöhnisch prüfte. Begriffe aus der DDR-Alltagssprache wie „Quickmappe“, „VEB“ (wo er  einen Facharbeiterberuf erlernte) und „Messe der Meister von morgen“ (in der BRD „Jugend forscht“) brauchte Matthias Gehler im Marcel-Callo-Haus nicht zu erklären. Wenige Kilometer weiter westlich ist das schon anders. So wussten beispielsweise seine Zuhörer in der Umgebung Duderstadts mit dem Begriff „VEB“ für die volkseigenen Betriebe in der Deutschen Demokratischen Republik nicht anzufangen. 
 
Für seine aktuelle Tournee hat er noch etwas dazu gepackt: ein Buch mit Liedtexten und wahren Geschichten aus seinem Alltag im Osten Deutschlands und eine CD mit Liedern. Titel: „Wenn Gedanken Flügel hätten“. Eine Liedzeile lautet: „Wir gossen Fundamente und mauerten uns ein...“ Bei seinen aktuellen Konzerten, zu denen er spielt, singt, seine Gedichte rezitiert, Geschichten aus seinem Leben erzählt und vorliest, sprechen ihn mitunter junge Leute an und fragen: “Wieso sind das Lieder von früher? Das sind doch Texte von heute!“ Diese Meinung war am Donnerstag von etlichen Besuchern jenseits des Jugendalters ebenfalls zu vernehmen und ist spätestens bei der im Lied gestellten Frage nachvollziehbar: „Warum sind wir oft so blind für Gesichter, die vom Leben gezeichnet sind?“ Die musikalisch-literarische Zeitreise endete viel zu schnell.
Zahlreiche Zuhörer waren neugierig auf einen handgeschriebenen Brief Angela Merkels an Matthias Gehler aus dem Jahr 1990. Er bringt ihn zu seinen Auftritten mit, als Kopie. Von Dankbarkeit für das 1989 Geschehene sprach Moderator Dario Pizzano. Und von Achtsamkeit, die wir in der Gegenwart so dringend brauchen.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journal.Christine Bose

Presseartikel der TLZ " Was Kinder stark macht in schweren Zeiten"


Glauben für ein erfülltes Leben
 
Göttinger Kinderärztin Dr. med. Herrad C. Hinz sprach im Eichsfeldforum 

Heiligenstadt. Schon als Dr. med. Herrad C. Hinz aus Göttingen, bekannte Kinderärztin im
Ruhestand, zum Thema „Bindungen – Warum wir nicht alleine leben können!“ im Eichsfeldforum gesprochen hatte, war das Zuhörerinteresse riesengroß. Grund genug, sie Ende Oktober 2015 erneut ins Marcel-Callo-Haus einzuladen. Diesmal mussten die Organisatoren mit Moderator Dario Pizzano sogar noch zusätzliche Tische und Stühle aufstellen. „Was Kinder stark macht in schweren Zeiten“ lautete das Thema. Es sprach auch jene Besucher an, die keine Kinder oder keine mehr zu Hause haben und keinen pädagogischen Beruf ausüben.

Die Referentin verzichtete auf ihr Honorar zu Gunsten der in Chile lebenden deutschen Ordensschwester Karoline Mayer und der von der Ordensfrau gegründeten „Fundación Cristo Vive“. Die Stiftung, deren Anliegen es ist, den Ärmsten ein menschwürdiges Leben zu ermöglichen, gibt es inzwischen außer in Chile in Bolivien und Peru. Unterstützt wird sie vom gemeinnützigen Verein Cristo Vive Europa e.V..
 
Dr. H.C. Hinz
Der Begriff „schwere Zeiten“ steht in den Ausführungen der Kinderärztin als Synonym für Gewalt, Schläge, Bedrohung, Missbrauch, Verlust und seelische Vernachlässigung mit Erkaltung des Gefühlslebens. Dr. Hinz erläuterte die Möglichkeiten der Rückkehr in ein erfülltes Leben unter dem Stichwort „Resilienz“. Der aus dem Französischen stammende  Fachausdruck der Psychologie meint die psychische Widerstandsfähigkeit, zu deren Erreichen sogenannte „Goldene Fäden“ in der kindlichen Entwicklung notwendig sind. Sie entstehen u.a. durch Bindungen an geliebte Menschen und prägen sich ins Stammhirn ein. Erwachsene seien – so die Auffassung der Referentin – sehr schnell dabei, Kindern „etwas aufzudrücken“, ihnen zu wenig Zeit zu schenken und, oftmals ohne nach den Interessen des Kindes zu fragen, stets nur das Beste für seine Zukunft zu wollen. Mit Blick auf Schule und Beruf werden mitunter so viele Förder- und Bildungsangebote ausgeschöpft, dass kaum noch Gelegenheit zum Spielen bleibt, z. B. mal in der Natur und im Matsch. Und wie oft am Tag hört ein Kind Befehle aus Erwachsenenmund: „Los!“ „Mach das jetzt“, „Schnell!“ „Beeil dich!“, „Pass auf!“
 
Als Gegenteil der Vernachlässigung führte Dr. Hinz den Fehler an, dem Kind jeden Wunsch zu erfüllen, von den Augen abzulesen. Lernen muss es, mitunter auf etwas zu verzichten oder zumindest zu warten. Mit Blick auf die Generationen, die den 1. oder 2. Weltkrieg erlebt haben, besonders in der Kindheit, nannte die Ärztin schwer traumatisierte Menschen, denen sich nach dem überstandenen Grauen kaum jemand professionell zuwandte. Die Kinder bekamen statt dessen zu hören: „Reiß dich zusammen!!, „Sei froh, dass Du am Leben bist.“
Nicht einfach, aber unbedingt hilfreich dürfte es für Erwachsene sein, für das eigene Leben professionelle Ratschläge der Ärztin in die Tat umzusetzen. Dazu gehören für jedes Lebensalter: Sich mit dem Unglück auseinandersetzen; nicht schweigen, verzeihen können, sich bewegen, Leid in Kreativität verwandeln, anderen Glück bereiten, um selbst glücklich zu werden. Über all dem – davon ist sie überzeugt – steht der tiefe Glaube, zu dem jeder Mensch finden möge.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journalistin Christine Bose

 

 

 

Dienstag, 6. Oktober 2015

Presseartikel der Thüringer Landeszeitung zum Thema "Evangelisierung"



Glaube ist nicht mehr das, „was sich gehört“



Dr. Markus-Liborus Hermann im Eichsfeldforum begrüßt



Heiligenstadt. Von den rund 81 Millionen Menschen in Deutschland gehen  sonntags drei bis fünf Millionen Menschen, katholische und protestantische Christen, zur Kirche. Und ihre Zahl ist, bezogen auf die vergangenen 25 Jahre, rückläufig. „Statistik ist nicht das Evangelium“, kommentierte am Donnerstag, 1. Oktober 2015, Dr. theol. Markus-Liborius Hermann im Marcel-Callo-Haus diese Situation und führte das symbolische Wortspiel an, wonach „Seelsorge keine Zählsorge“ sei. Er war der Einladung gefolgt, im Eichsfeldforum zum Thema „Evangelisierung – Aufruf zur Mission, Bekehrung oder Wiederbelebung?“ zu sprechen und mit seinen Zuhörern zu diskutieren, die davon regen Gebrauch machten. 

Moderator Dario Pizzano sprach im Namen der Besucher, als er Dr. Markus-Liborius Hermann einlud, ein zweites Mal ins Eichsfeldforum zu kommen. 1980 in Mühlhausen geboren, studierte Markus-Liborius Hermann Theologie in Erfurt, Salamanca und Jerusalem, war tätig in Lateinamerika und Europa und arbeitet seit 2010 als Referent für Evangelisierung und missionarische Pastoral im Bistum Erfurt. Das  Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ („Die Freude des Evangeliums“) von Papst Franziskus bildete die Grundlage seines Vortrages. 

Markus-Liborius Hermann sprach über soziokulturelle Veränderungen, gegen die sich die Kirche nicht stellen, wohl aber zweitausendjährige Erfahrungen einbringen könne. Wie sie angewendet, in die Praxis umgesetzt werden, „liegt an uns“. Im Gegensatz zu vergangenen Generationen sei heute Christ sein kein Erbe mehr; werde nicht mehr als „normal“ empfunden, sondern werde zur persönlichen Entscheidung in einem Umfeld, wo die Kirche kein Monopol mehr auf Hoffnung habe. „Glaube ist keine Konvention mehr, nicht mehr das, was sich gehört’, sondern ein prophetisches Zeichen“, führte der Redner an. Klassische Pfarreien seien heute nur eine Form der Kirche, ist er überzeugt und ebenso von der Bedeutsamkeit der Ökumene und dem Ausbrechen aus gewohnten Bahnen. 

Die aufmerksam seinen Ausführungen folgenden Zuhörer nahmen auch diese Erkenntnis mit: Mission besteht im Dialog. Wer sich als Christ seinem ihm bekannten und ihm unbekannten Nächsten zuwende, müsse sich damit auseinandersetzen: Es gehe nicht um Werbung, nicht darum, einen Rückeroberungsfeldzug zu führen oder eine Wiederbelebung überlebter Modelle anzustreben, denn: „Das Evangelium ist keine Einbahnstraße.“ Wer  Gespräche suche, müsse auch den Mut zur scheinbaren Vergeblichkeit aufbringen; damit rechnen, nicht gehört zu werden, weil die Situation unpassend gewesen sei oder die falschen Worte gewählt wurden und müsse damit rechnen, dass sein Gegenüber „Nein“ sage.   

Ein wichtiger Hinweis und eine Bitte des Theologen an sein Publikum: Keine negativen Bezeichnungen zu finden für Menschen, die nicht glauben. Beim Aufeinanderzugehen ihnen nicht ein defizitäres Gefühl vermitteln, das zur Empfindung führt, bei ihnen sei etwas kaputt.

Sein Fazit: „Wir leben in einer sehr, sehr spannenden Zeit des Umbruchs und wir sind auf dem Weg zu einer Missionskirche neuen Typs. Vor uns steht eine Zeit der Vielfalt. Dabei kann den Glauben weitergeben, wer selbst im Glauben stark ist.“

Sonntag, 4. Oktober 2015

Presseartikel der TLZ zum Eichsfeldforum " Das Gewissen"



Vom Gewissen lernen


Erstes Eichsfeldforum nach der Sommerpause mit Prof. Dr. Dr. Jörg Splett 



Heiligenstadt. Einen gesegneten und erkenntnisreichen Abend hatte Dario Pizzano als Moderator und Ansprechpartner des Eichsfeldforums am Donnerstag, 17. September 2015,  allen Anwesenden gewünscht. Nach der Sommerpause war im Saal kaum ein Stuhl unbesetzt geblieben. Die lebhafte Diskussion nach dem Vortrag zeigte, wie wichtig vielen Besuchern das Thema „Das Gewissen – Ort der Gotteserfahrung?“ ist. 

Fragen wurden gestellt, Zweifel angemeldet, Zustimmung, aber auch Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Auch nach dem offiziellen Ende des Vortragsabends wandten sich viele Interessenten an den Referenten, der nicht zum ersten Mal an dieser Stelle begrüßt werden konnte und eingeladen wurde, erneut ins Eichsfeld zu kommen.  Prof. Dr. Dr. Jörg Splett, Prof. em. für Philosophie aus Frankfurt/Main, einer der bedeutendsten Religionsphilosophen der Gegenwart, hatte sich des anspruchsvollen Themas angenommen. 

„Wir haben es nötig, uns Gedanken darüber zu machen“, leitete er seinen fesselnden Vortrag ein. Er schlug einen Bogen vom antiken griechischen Philosophen Platon (428/427 v.Chr. - 348/347 v. Chr.) und dessen  Schüler Aristoteles (384 v.Chr.-322 v.Chr.) über den Kirchenlehrer Augustinus (354 n. Chr.- 430 n.Chr.) und den deutschen Philosophen der Aufklärung Immanuel Kant (1724-1804)  bis zur Gegenwart. 

Die zwei Gewissensbegriffe des Mittelalters – unterschieden wurde da zwischen dem vertikalen und dem horizontalen Gewissen – erläutete der Wissenschaftler, hier in aller Kürze zusammengefasst: Das vertikale Gewissen gebiete dem Menschen: „Sei anständig“, wobei kein anständiger Mensch frage, warum er das solle. Dieses Gewissen unterscheide zwischen Gut und Böse. Beim horizontalen Gewissen, dem Wertegewissen, gehe es um die zu vermittelnde Erziehung, um die gesellschaftlichen Werte.

Prof. Splett zitierte den englischen Staatsmann Thomas Morus (1478-1535), der noch im Tower, auf seine Hinrichtung wartend, seinen Prinzipien treu geblieben war, seine Meinung nicht änderte, um damit sein Leben zu retten und seiner Familie mitteilte: „Ich kann mein Gewissen nicht auf den Rücken eines anderen Mannes binden.“ 

Das Gewissen sei, so Prof. Splett, „nicht nur ein Produkt der Evolution und der Sozialisierung.“ Bei dem abendfüllenden Thema wurde in der Diskussion der Begriff der Freiheit aufgegriffen und damit im Zusammenhang die Meinung von Politikern und Parlamentariern, ihrem Gewissen gegenüber verantwortlich zu sein. Hierzu der Philosoph, Psychologe und Theologe Jörg Splett: „Gott gibt uns die Freiheit. Die Freiheit  ist keine absolute Selbstbestimmung, sondern heißt, Ja oder Nein sagen zu können. Zur Freiheit gehören Grenzen.“ 

Er treffe so viele Christen, unterstrich er, die sich quälen, um vor Gott gut zu sein. Jedoch: „Gott liebt uns in jedem Moment, vor allen Leistungen, trotz aller Schuld.“ Zu anderen Menschen gut zu sein, was in der höchsten Form gütig bedeute; das Gewissen nicht nur als lästigen Mahner anzusehen, riet er den Zuhörenden und nannte verblüffend einfache Beispiele dafür, im Alltag gut zu sein: Dazu könne z. B. gehören, in einem Streit das letzte Wort „runterzuschlucken.“



Dipl. Journ. Christine Bose




Sonntag, 22. Februar 2015

Presseartikel der Thüringer Landeszeitung :"Ist der Glaube vernünftig?"




„Es ist ein Geschenk und muss es bleiben“



Eichsfeldforum mit Professor Dr. Eberhard Tiefensee zum Thema „Ist der Glaube vernünftig?“



Heiligenstadt. 
Vor einhundert Jahren hätte der Vortrags- und Gesprächsabend unter dem Titel „Ist der Glaube vernünftig?“ gar nicht stattgefunden, denn da hätte sich diese Frage nicht gestellt. Jedoch: „Die Zeit hat sich geändert, die Welt hat sich geändert. In unserer Gesellschaft sind Glaubensfragen ein Tabu-Thema.“ Für die westeuropäische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts treffe der Satz zu: „Ich habe eine Überzeugung, aber es gibt noch andere.“ 

Einführende Worte von Prof. Dr. Eberhard Tiefensee, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.
Als wohlbekannter Gast war er am Donnerstag von Moderator Dario Pizzano im vollen Saal des Marcel-Callo-Hauses begrüßt worden und hatte sicher mit seinem Angebot, zu einem weiteren Diskussionsabend des Eichsfeldforums gern erneut zu kommen, allen Versammelten aus dem Herzen  gesprochen. 

Religionskritiker sind schnell dabei, die Frage, ob der Glaube vernünftig ist, zu verneinen.Unsere naturwissenschaftlich geprägte Kultur lege fest – so der Referent – was vernünftig und was unvernünftig ist. Im Vordergrund stünden Zahlen und Fakten; wir haben nicht gelernt, von etwas zu reden, was umfassender ist als das, was wir mit unseren fünf Sinnen erfassen können, denn schon von Kindheit an existieren für uns „Dinge zum Anfassen“, „raumzeitliche Dinge“. Und die müssen im Bereich unserer Sinneserfahrung mit wissenschaftlichem Verstand logisch und empirisch überprüfbar sein, ähnlich wie Laborergebnisse oder wie eine Computersteuerung. Doch mit Naturwissenschaft allein lasse sich die Welt nicht  begreifen. Sofern nicht nur oberflächlich geglaubt werde, sei Glaube etwas, was die ganze Person ergreife. 

Der Referent fand einen sehr treffenden, einleuchtenden
Vergleich als Antwort auf die Frage, was richtig oder was falsch ist in der Herangehensweise an Glaubensfragen: Ein Mensch könne durch eine Stadt gehen und sie erkunden als Bauingenieur oder als Historiker. 

Er plädierte für die vernünftige Glaubensrede, für den
denkenden Christen und griff dabei u.a. zurück auf den Bibeltext des Matthäus-Evangeliums: „Du sollst den Herrn, Deinen Gott lieben mit Deinem ganzen Herzen und mit Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Denken. Das ist das große und erste Gebot.“ 

Herausragende Bedeutung misst Professor Tiefensee der Sprache bei und damit verbunden dem ständig notwendigen geduldigen Dialog, denn oft gäbe es im Alltag „Übersetzungsprobleme“. 

Zum Verständlichmachen gehöre ein permanenter Austausch. Wer von Andersdenkenden gefragt werde, wieso er an Gott glaube, möge  bereit sein zum Gespräch, nicht einfach gehen und sagen: „Du verstehst das nicht.“ 

Ebenfalls als ein Übersetzungsproblem nannte er die Reaktion einer Frau, die auf der Suche nach ihrem Glauben einen Gottesdienst besuchte und am Ende äußerte, sie habe jedes Wort verstanden, aber nicht einen einzigen Satz. 

Zu den zusammenfassenden Thesen Professor Tiefensees gehörte auch diese: „Glauben ist heute mehr denn je ein freier, durch nichts, auch nicht durch ‚richtige Erziehung’ und auch nicht durch Argumente zu erzwingender ‚Sprung’ und letztlich ein Geschenk.“ Und ein Geschenk müsse es bleiben, sonst sei es kein Glaube an Gott.



Christine Bose




Presseartikel "Alles neu- Wer ist Papst Franziskus?"



Den Papst nicht an einem Abend kennen lernen

Prof. Dr. Josef Freitag sprach im sehr gut besuchten Eichsfeldforum  

Heiligenstadt. (cb) 

Der fesselnde Vortrag begann mit einer Frage des Referenten: „Wie stellt man jemanden  vor, den Sie kennen? Sie haben ja längst gelesen, wann er geboren ist, wo er gelebt hat...“. 

Mussten sich die Organisatoren des Eichsfeldforums noch nie über mangelnden Besucherzuspruch beklagen, machte die Abendstunde am Donnerstag, 22. Januar 2015, deutlich: Es gab noch eine Steigerung. Die Zuhörer  waren ins Marcel-Callo-Haus geströmt, um beim ersten Eichsfeldforum des Jahres 2015 Antworten auf die Fragen zu erhalten: „Alles neu? Wer ist Papst Franziskus?“ 

Dario Pizzano als Ansprechpartner für die hochkarätige Reihe begrüßte hierzu Prof. Dr. Josef Freitag, Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Josef Freitag, der 1976 zum Priester geweiht wurde, studierte Philosophie und Theologie an den Universitäten Münster, Strasbourg und Rom. Dario Pizzano verwies darauf, dass die Worte und das Handeln des Oberhauptes der katholischen Kirche in aller Munde und in allen Medien seien. 

Im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Papst Benedikt XVI habe Franziskus „bei gleicher Sache und gleichem Glauben einen völlig neuen Stil entwickelt“, so Prof. Freitag, um hinzuzufügen: „Sie werden ihn nicht heute Abend, aber permanent kennen lernen.“  Der neue Papst könne uns auf Dinge aufmerksam machen, „die wir nicht sehen.“ 

Sehr zum Nachdenken anregend sind die Worte des Theologen und Lehrenden zur Weihnachtsansprache des Papstes an die Leiter der vatikanischen Kurie. Da könnte jetzt so mancher ausrufen: „Er hat denen aber ganz schön die Meinung gegeigt und die Leviten gelesen!“ Doch sei vielmehr zu fragen: „Was trifft davon auf mich selber zu? Blicke ich schadenfroh auf andere oder betrachte ich die Worte der Weihnachtsansprache als Hilfe für mich?“ 

Kritisch blickte Prof. Freitag auf Erscheinungen unserer heutigen Kultur, die häufig darauf gerichtet seien, narzisstisch und selbstzentriert zu bleiben, selbst gut dazu stehen, niemanden an sich „ranzulassen“, sich mit dem Anliegen zu beschäftigen: „Wie beeinflusse ich andere?“ 

Einen nicht unbeträchtlichen Teil des Abends widmete der Gast dem viel beachteten Apostolischen Schreiben des Heiligen Vaters vom 24. November 2013 „EVANGELII GAUDIUM“ („Die Freude des Evangeliums“), gerichtet auch an die „christgläubigen Laien“. Damit verkünde der Papst – das unterstrich der Dogmatik-Professor – kein Regierungsprogramm. 

Der Hinweis des Referenten lautete, den Text zu lesen, um das Neue kennen zu lernen. Nicht nur für die Bischöfe, Priester, Diakone, sondern für alle Getauften sei dieses Programmschreiben bestimmt, wolle doch Franziskus darin klar machen: Die Begegnung mit Jesus gebe Kraft und stehe jedem Menschen offen. Die Jünger Jesu – dies als Anmerkung Prof. Freitags – hätten, um das Evangelium zu verkünden, keine Zeit für eine Ausbildung gehabt, sondern mit dem Herzen gehandelt. 

Die sich anschließende angeregte Diskussions- und Fragerunde zeigte sehr deutlich, wie sich die Zuhörer mit der Person Papst Franziskus und seinem Tun beschäftigten. Eine Bemerkung Professor Freitags wirkt über den Abend hinaus: „Sie werden Franziskus nur verstehen, wenn Sie selber Jesus begegnen. Das traut Ihnen Franziskus zu.“

Christine Bose

      

Samstag, 13. Dezember 2014

Pressebericht der TLZ zum letzten Eichsfeldforum des Jahres


"Apokalypse nach Richard


Letztes Eichsfeldforum des Jahres 2014 als Konzert-Lesung

 

Heiligenstadt. Betroffenheit, Nachdenklichkeit, wissendes, zustimmendes  Lachen gehörten zum gespannten Zuhören, als Matthias Matussek aus Hamburg aus seinem Buch „Die Apokalypse nach Richard“ las. Für entspanntes Zuhören zwischen den einzelnen Kapiteln sorgten die jungen Musiker Sven Tasch und Leonhard Hunold, Mitglieder der Eichsfelder Formation „Diekenstiek“, mit ihrer wunderbaren Musik.
 
 „Eine Konzert-Lesung, einen völlig anderen Bildungsabend, der die Besucher des letzten Eichsfeldforums im Jahr 2014 mit etwas Schönem im Herzen nach Hause gehen lässt“ nannte Dario Pizzano, Koordinator des Forums, dieses Donnerstag-Angebot. Allen Freunden des Eichsfeldforums dankte er für ihre Treue, für ihr Interesse an den Vorträgen und Diskussionsrunden im Laufe des Jahres.
 
Diesmal blieb das Rednerpult verwaist; für den Autor stand ein großer Lesesessel bereit. Matthias Matussek, Jahrgang 1954, hat als Reporter die Welt bereist, berichtete aus New York, Rio de Janeiro und London.
 
In Heiligenstadt wurde das Publikum mitten hinein genommen in die schier unglaublichen Ereignisse am 23. und 24. Dezember, die sich um den alten Richard, seine Frau Waldtraud, seine Kinder und Enkelkinder drehen. Und darum, was an Unglaublichem passiert, nicht zuletzt deshalb, weil jedes Familienmitglied seine individuellen, christlichen und nichtchristlichen Vorstellungen von Weihnachten hat. Die unterschiedlichsten Charaktere treffen einmal im Jahr aufeinander am schönsten Fest des Jahres. Ein nachvollziehbarer Wunsch, dass (fast) alle, egal wo sie ihr Zuhause haben, zusammen sind. So empfindet es auch Matthias Matussek.
 
Eine Besucherin der Lesung zog Parallelen zu einem längst vergangenen Nikolausabend in ihrer Familie, der allen seiner nicht alltäglichen Ereignisse wegen im Gedächtnis geblieben ist. Anrührend ist das Verhältnis zwischen dem alten Richard und seinem vierzehnjährigen Enkelsohn Nick.

Der Beschreibung des Dezember-Markttreibens der Gegenwart mit seinen üppigen, unüberschaubaren Warenbergen steht im krassen Gegensatz Richards Erinnerung an ein Weihnachtsfest der 1930er Jahre gegenüber. Nur wenig Spielzeug gab es und die Nüsse waren abgezählt. Zum gegenwärtigen Weihnachten ersetzt auf Grund unerhörter Umstände, die Gans betreffend, Fast Food von Mc Donalds das festliche Mahl. Die Welt geht unter, just in dem Moment, als Richard beim traditionellen Lesen der Weihnachtsgeschichte den Engel zitiert: „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch eine große Freude...“
 
Ein Mensch stirbt und ein Mensch wird geboren und der Leser ist bereit, fern jeglichen Kitsches, an ein modernes Wunder zu glauben. Matussek schreibt: „Alle Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit sind zufällig, aber wahrscheinlich unvermeidbar...“.

Im sich anschließenden Gespräch mit den Besuchern erklärte der katholische Journalist zur Gestalt des Titelhelden: In Richard sehe er seinen verstorbenen Vater und habe der Hauptfigur der Erzählung einige seiner Eigenschaften verliehen. Gewiss haben viele Zuhörer empfunden, dass ein solch eindrucksvolles Dankeschön eines Sohnes an seinen Vater nicht nur an Dezemberabenden lesenswert ist.

 

Dipl.Journalistin Christine Bose

Montag, 27. Oktober 2014

Pressebericht zum Vortrag im Eichsfeldforum "Bindungen-Warum wir nicht alleine leben können!"


Eichsfeldforum mit neuem Gesicht

 
von Gregor Mühlhaus

 
Von einer völlig neuen Seite präsentiert sich seit diesem Herbst das Eichsfeldforum mit seinen Veranstaltungen im Marcel –  Callo – Haus in Heiligenstadt. Entgegen der jahrelangen Gepflogenheiten, die Veranstaltung in „Kinosaalsitzordnung“ abzuhalten, laden die Veranstalter nun in lockerer Restaurantatmosphäre zum Zuhören, Zuschauen und Miterleben ein. Snacks, Wasser und Rotwein werden gereicht und lassen die Gäste ungezwungen ins Gespräch kommen. Die Plätze jedoch reichten am Donnerstag bei Weitem nicht aus. Angesagt hatte sich Frau Dr. med. H. C. Hinz, Kinderärztin aus Göttingen, um über das Thema „Bindungen – Warum wir nicht alleine leben können“ zu referieren.

 

„Wer früher klettern lernt, kann später besser rechnen“. Mit diesen oder ähnlichen Thesen löste die Medizinerin aus Göttingen unter den gebannt zuhörenden Gästen immer wieder großes Erstaunen aus. Illustrativ beschrieb sie zu Beginn die Gepflogenheiten und die Ausstattung ihrer ehemaligen Kinderarztpraxis, in der ein „Schaukelpferd, so groß wie ein echtes Pferd“ stand und eine „Lokomotive“. Weiße Kittel während der Sprechstunden habe man nicht getragen, auch auf Arztpraxismöbel wurde verzichtet, um den kleinen Patienten die Angst zu nehmen. „Ein junges Kind kann seine Ängste nur mit einem geliebten Menschen regulieren – nie allein“, machte die Fachärztin deutlich, dass Kinder sowohl in den ersten Lebensmonaten als auch später jederzeit eine Bindungsperson zur Seite brauchen.
 
Die beglückenden Lächeldialoge beim Blickkontakt seien beim Kleinkind die ersten Kommunikationsmomente, erklärte Hinz und betonte, dass diese Dialoge bis zum sechsten Lebensmonat bereits 30 000 Mal stattfänden. So erfahre das Kind, dass es anderen Freude bereite und habe selbst keine Angst mehr. Ansprache in Lächeln bringe immer und überall Hoffnung. Man könne dieses Lächeln nicht trainieren oder einstudieren. Als nächster Schritt komme die melodiöse Lautbildung hinzu, die sogenannte Mami – und Papisprache in hoher Tonlage, die verlangsamt und akzentuiert stattfinde. Sie fördere die Aufmerksamkeit mehr als die „normale Sprache“. Laut Hinz hängen die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes an den Lippen der Erwachsenen und lernen dann später erst die Bedeutung der Worte. Im weiteren Verlauf der Entwicklung eines Kindes werden Bindungen an andere Menschen, wie an Nachbarn, Freunden oder Krippenbetreuern erweitert.

Dabei entstehen die so wichtigen Fähigkeiten zur Empathie, also dem Mitfühlen. Durch Bindungsstörungen, die zum Beispiel durch wenig Zuwendung, Vernachlässigung, Heimaufenthalt oder Gewalt und Aggression gegen das Kind entstehen können, verlieren die Kinder diese Empathiefähigkeit oder lernen sie erst überhaupt nicht. Sie haben keine wertvollen handlungsleitenden Bilder abgespeichert, auf die sie zurückgreifen können.

Es kommt zu einem „Beziehungsverarmen“. Eines der schlimmsten Szenarien bedeute der Tod eines Elternteils. So nehme dann niemand mehr die Sehnsucht, die inneren Wünsche und Bedürfnisse des Kindes wahr. Die „gewollte Wahrnehmung“ steht nun im Vordergrund. Kinder suchen dann verzweifelt nach Zuwendung, auch mit weniger schönen Mitteln. Sie entpuppen sich als Klassenkasper, Bösewicht und Anstifter zu Verbrechen. „Wenn dann noch eine Demütigung hinzukommt, dann ist das hochexplosiv und verheerend destruktiv, sodass es unmittelbar zu ausufernder Gewalt kommen kann“, unterstrich Dr. Hinz. Für die Entwicklung eines Kindes gelte generell: „Schatzsuche – nicht Fehlersuche“, was bedeute, immer die vielseitigen Fähigkeiten eines Kindes hervorzuheben und nicht die Fehler in den Vordergrund zu rücken.

Montag, 6. Oktober 2014

Pressebericht zur Podiumsdiskussion im BOXKINO Leinefelde


Jugendkriminalität – Wege aus der Spirale der Gewalt 
 von Gregor Mühlhaus

 
Auf seinem T– Shirt steht der Schriftzug „Ich will ein Leuchtturm sein“. Der Mann, der es trägt ist groß und kräftig. Holger Stitz ist einer von drei Podiumsteilnehmern, die kürzlich im Rahmen des Eichsfeld - Forums im Boxkino in Leinefelde über das Thema

„Jugendkriminalität – Wege aus der Spirale der Gewalt“ sprachen.

Bilder von prügelnden Jugendlichen in Großstädten, Tritte auf wehrlose Menschen in U-Bahn Stationen, Gewaltexzesse, die mit Handys gefilmt, den Weg in die sozialen Netzwerke finden, Diebstahl und Drogeneskapaden. Ist das das reale Bild der Jugend von heute?

Dieser Frage stellten sich im abendlichen Diskurs weiterhin Anabel Taefi, Diplomsoziologin aus Münster und Pfarrer Markus Könen aus Heiligenstadt. So berichtete Gastdozentin Anabel Taefi  von ihrer Arbeit mit straffälligen Jugendlichen und unterstrich die Notwendigkeit von Angeboten wie dem Boxkino. Bei allen Sorgen wies sie darauf hin, dass entgegen der landläufigen Meinung, die Jugendkriminalität würde immer mehr ansteigen, eher ein Rückgang zu beobachten sei. „Das belegen Zahlen, Studien und Statistiken“, so die Doktorandin am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen.

Die Wahrheit sei, dass es einen Medienpopulismus gebe und die Menschen gezielt auf Straftaten Jugendlicher aufmerksam gemacht würden. „Schon seit Jahren sinkt die allgemeine Gewaltakzeptanz in der Bevölkerung“, so die Diplomsoziologin weiter. Es sei allerdings ein Anstieg bei Bagatelldelikten zu verzeichnen.

Holger Stitz ist Leiter des Boxkinos in Leinefelde. Er selbst wurde, wie er sagte, früher gehänselt, weil er sportlich nicht gerade begabt war. Dann wurde er auf das Boxen aufmerksam, das ihn inspirierte, aufrüttelte und ihm half an sich zu glauben.

Stitz beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit straffälligen Jugendlichen und sieht  Einrichtungen wie das Boxkino, in dem Sport getrieben und gleichzeitig Sozialarbeit geleistet wird, als eminent wichtig an.  Die Hauptverantwortung bei der kindlichen Erziehung machte er in erster Linie bei Vater und Mutter aus. Heutzutage seien die Kinder in ihrem Lebensgefüge oft hin und hergerissen, sagte der Pädagoge. „Hier im Boxkino erfahren die Kinder und Jugendlichen Aufmerksamkeit und Geborgenheit. Aber was ist, wenn sie nach Hause kommen und der Vater bekifft auf dem Sofa liegt?“, so Stitz über die negative Vorbildwirkungen der Eltern. Spätestens dann stellten sich die Kinder die Frage: „Was ist denn nun eigentlich im Leben das Richtige?“  

Schulpfarrer Markus Könen vom Berggymnasium in Heiligenstadt sprach von „einigen verlogene Diskussionen“, die auf politischer Ebene stattfänden.  Auch er warnte vor zu großem Populismus.

Man müsse nicht überdramatisieren, so der Geistliche. Trotzdem machte Könen unmissverständlich deutlich: „Es gibt natürlich Probleme, die die Kinder mit in die Schule bringen.  Ein Jugendlicher, den wir momentan begleiten, wird im Elternhaus verbal tyrannisiert, weil er den Vorstellungen seines Vaters nicht entspricht“. Das sei auch Gewalt,  mit der man sich auseinander setzen müsse. „Die Kinder und Jugendlichen können nichts dafür in welche Welt sie hineingeboren werden. Wir als Zivilisation machen die Menschen schließlich zu dem was sie sind“, betonte Könen. Das Effektivste bei der Betreuung der jungen Heranwachsenden seien solche Projekte wie das Boxkino, von denen man viel mehr brauche. Unerlässlich jedoch sei ein großes Netzwerk von Bildungszentrem im Allgemeinen, betonte Könen nachdrücklich.

Ein gutes Beispiel wie Sozialarbeit mit Jugendlichen gut funktioniert, ist Julian, der seit 18 Monaten im Boxkino trainiert. Früher war der heute Zwölfjährige übergewichtig. „Irgendwann kam ich zu Holger und zum Boxen. Hier habe ich gespürt, dass jemand an mich glaubt“, so der Schüler.

 

Sonntag, 28. September 2014

Presseartikel TLZ Eichsfeldforum "Wohin ist Gott?"



Gott nicht nur den „Profis“ überlassen


Säkularisierung als Thema des Eichsfeldforums mit Prof. Dr. Maria Widl



Heiligenstadt.  Nach einer schweren Krankheit kehrt ein Mensch in den Alltag zurück. Seine Begründungen für die Genesung, geäußert in Gesprächen mit Angehörigen,  Freunden, Kollegen: Gesund wurde er dank der Ärzte und Krankenschwestern, der voranschreitenden medizinischen Forschung, der Pharmaindustrie mit ihren hervorragenden Medikamenten, dem hilfsbereiten Zur-Seite-Stehen seiner Familie. Aber gab es da vielleicht doch noch etwas anderes?

 „Gott kommt in den meisten Kommentaren nicht vor, mit ihm wird nicht gerechnet“, unterstrich am Donnerstag im Eichsfeldforum Prof. Dr. Maria Widl, Pastoraltheologin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Ihr Thema, für das sie im Marcel-Callo-Haus mit minutenlangem Beifall belohnt wurde: „Wohin ist Gott? Säkularisierung als Zeichen der Herausforderung“. 

In den Industriestaaten verschwinden Religion und Glaubenspraxis zunehmend aus der Öffentlichkeit. Folge der Säkularisierung (Verweltlichung) , die einhergeht mit der Vernunft im Vordergrund, dem Lösen religiöser Bindungen, der Zuwendung der Menschen zum Materiellen, zu toten Dingen. „Wie oft haben Sie heute an Gott gedacht?“ lautete eine Frage der Religionswissenschaftlerin an die fasziniert zuhörenden Besucher. Eine Antwort an Ort und Stelle erwartete sie nicht bei ihrem Anstoß zum Nachdenken. 

Bewusst provozierend überhöht klangen ihre Worte, mit denen sie aktuelle gesellschaftliche Erscheinungen charakterisierte: Die Technik schreitet ständig voran. Was brauchen wir den Wettersegen? Wir haben Kunstdünger! Am Sonntag gibt’s Fußball, keinen Gottesdienst. Die Kirche ist ein Verein wie viele andere auch und ich kann als moderner, aufgeklärter Mensch frei entscheiden, ob ich mir ein kulturelles Erlebnis in der Kirche gönne, einen Kino- oder Theaterbesuch. Freilich gibt es da ein paar schwache Menschen, für die der Glaube etwas Gutes bedeutet. Manche junge Eltern, selbst weit entfernt von Gott, wollen sogar ihr Baby taufen lassen mit der erklärten Absicht, für das Kind eben alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die diese Gesellschaft bietet. 

Als typisch für die moderne Kultur nannte Prof. Dr. Widl die Tatsache, dass wir uns viel zu sehr mit dem beschäftigen, was wir selber erledigen und beeinflussen können. Beim dem Gefühl, immer mehr Herr der Lage zu sein, ist kein Platz für Suche nach Gottes Spuren.  „Wir haben eine ambivalente Kultur“, betonte die Referentin und hatte für dieses Nebeneinander von Gegensätzen lebensnahe Beispiele parat: Atheisten, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, würden häufig vergessen oder nicht wissen: Diese Menschenrechte beruhen auf dem Erbe des Christentums. 

Bei Umfrageergebnissen zu sozialen Themen stehe die Caritas ganz oben, ausgewählt und geschätzt auch von Menschen, denen Christsein nichts bedeutet. Christen als Teil der säkularen Kultur komme die Aufgabe zu, Gott ins Spiel zu bringen, wer sollte es sonst tun?! 

Hierfür seien nicht nur die „Profis“ (Zitat Prof. Widl) zuständig, wie Ordensschwestern und Priester. Der Abend hätte eine noch längere, äußerst angeregte Diskussion gebracht, doch musste Prof. Widl den letzten Zug in die Landeshauptstadt erreichen.



Dipl. Journ. Christine Bose

Pressekommentar zum neuen Konzept des Eichsfeldforums



Sind wir hier richtig?



Eichsfeldforum in neuer Saison mit neuem „Kleid“



Heiligenstadt. Irritierte Besucher, erstaunte Gesichter, gefolgt von der Erkenntnis, hier ja wohl doch richtig zu sein und am Ende sehr viel Zustimmung. Das Eichsfeldforum, eine Einrichtung des Bistums Erfurt im Eichsfeld präsentiert sich mit Beginn des Herbst-Winter-Semesters 2014/2015 im neuen Kleid. Diese Bezeichnung wählte am Donnerstag Dario Pizzano als verantwortlicher Ansprechpartner, der durch den Abend führte.

Gewohnt, auf den in Reihen aufgestellten Stühlen Platz zu nehmen, glaubten viele Besucher zunächst mit Blick in den Saal, sich in eine andere Veranstaltung des Hauses verirrt zu haben, wurden jedoch gleich an der Tür von Dario Pizzano freundlich willkommen geheißen. Für die Begründung des neuen “Kleides“ bemühte er den griechischen Philosophen Heraklit mit dessen vor 2500 Jahren geprägten Worten: „Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen.“   

Von Herzensbildung und nachhaltigem Lernen, von Bildung als einem ganzheitlichen Prozess, der außer dem Verstand Herz, Seele und Körper, also den ganzen Menschen anspricht, haben sich die Verantwortlichen des Eichsfeldforums leiten lassen. Das Ergebnis: Tische und Stühle im Saal, auf den Tischen Blumen und Kerzen, Brot, Wein und Wasser – auch als eine Einladung, hinterher noch miteinander ins Gespräch zu kommen. 

Kleine musische oder künstlerische Beiträge zur Umrahmung. Am Donnerstag war es zum Auftakt „Gnade“ des Duisburger Liedermachers Tom Liwa.

Jeder Besucher erhielt – und das soll jetzt ebenfalls so bleiben – ein Merkblatt im Postkartenformat, auf dem wichtige Eckpunkte des Referates festgehalten sind. Zum Nachlesen und Nachdenken über die jeweilige Veranstaltung hinaus. 

Am Inhalt der Foren ändere sich nichts, versicherte Dario Pizzano im Rahmen seiner Mitstreiter. Und das bedeutet: „Hochkompetente Referenten, spannende Themen, interessante Bildungsabende, Lesungen und Diskussionen, die einen fruchtbaren Dialog von Kirche und Gesellschaft  befördern sollen.“



Dipl.Journalistin Christine Bose 

Montag, 21. Januar 2013

Religionsphilosoph Prof. Dr. Jörg Splett sprach im Eichsfeldforum




Freiheit heißt auch Verantwortung tragen



Heiligenstadt. Einen guten, erkenntnisreichen Abend hatte Dario Pizzano, Moderator des Eichsfeldforums, den Besuchern am Donnerstag im Marcel-Callo-Haus gewünscht und dabei angemerkt: Die Frage „Was ist denn das für ein Thema?“ sei ihm zuvor mehr als einmal gestellt worden. Gefragt, dafür und dagegen gesprochen, laut nachgedacht wurde in der dem anspruchsvollen Vortrag folgenden Diskussion im vollbesetzten Saal lange und ausgiebig. „Wir müssten eigentlich ein Semester miteinander verbringen“, räumte Prof. em. Dr. phil. Jörg Splett aus Offenbach, Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen Frankfurt/M., hinsichtlich seines Vortrages ein. Der zu Überlegungen und Widerspruch auffordernde Titel lautete: „Hätte Pontius Pilatus Jesus auch freisprechen können?“ 

Mit den Worten „Die schwierigsten Fragen sind die, von denen wir meinen, sie wären dumm“, hatte der Professor, der zu den bedeutendsten Religionsphilosophen der Gegenwart zählt, zur Diskussion ermuntert. Eine Formulierung, die es verdient, unbedingt noch häufiger als bisher bei einem Gedankenaustausch berücksichtigt zu werden. Er ging u.a. den  Fragen nach: „Wie lässt sich die Vorsehung des allmächtigen Gottes mit der Freiheit des Menschen und der Lebendigkeit der Geschichte zusammen denken? Was ist vorherbestimmt, was liegt in der Entscheidung des Menschen?“ 

Der Gast erläuterte auf wissenschaftlicher Basis, in Verbindung mit Alltagserfahrungen, Begriffe wie Freiheit, Glauben, Allmacht, Zweifel, Gebet, Bitte, Dank und Denken. Seine These, für deren Beweis hier nicht der Platz ist: „Pilatus hätte anders gekonnt, aber Gott wusste, dass er es so macht.“ Gott könne nicht vereinfacht nur als „der liebe Gott“ betrachtet werden; das sei zynisch den Opfern gegenüber, also in vielen Situationen, in denen wir uns fragen, warum Gott so etwas zulassen konnte. Die Freiheit des Menschen zur Verwirklichung seiner Möglichkeiten sei ein Geschenk, wobei Geschenk Gabe und Aufgabe bedeute, dem Einzelnen Aktivität abverlange sowie die Bereitschaft zum positiven Denken und Handeln. 

Ein entscheidender Punkt unserer Freiheit sei das Sich-Ergreifen-Lassen, die Erkenntnis: Gott ist ganz nah bei uns, wir müssen nur hinhören. „Jeder von uns hat mit Gott zu tun“, so Prof. Splett. Alltagstauglich brachte der Wissenschaftler zum Ausdruck, Gott verweise uns auf andere Menschen und das beginne bereits damit, dass wir durch andere auf die Welt gekommen seien. Für seine sehr interessante und des Nachdenkens werte Auffassung, Gott wolle überrascht werden, führte er die Gruppe der Künstler an. Denn besonders Maler, Dichter, Musiker hätten einen Blick für die Frische, für die Neuheit. Er plädierte für Neuübersetzungen griechischer und lateinischer Originaltexte. Das sei dann notwendig, wenn im Laufe der Jahrhunderte in religiösen und philosophischen Werken verwendete Begriffe so in die deutsche Sprache übertragen wurden, dass sie einer heutigen Aktualisierung und Erläuterung bedürften. 

Prof. Splett gab seiner beherzigungswerten Überzeugung Ausdruck: „Wir sind spätabendländische Individualisten, aber wir sind füreinander verantwortlich.“



Christine Bose