Glaube. Bildung. Leben .

HERZLICH WILLKOMMEN AUF DIESEM BLOG

Montag, 16. November 2015

Presseartikel der TLZ zur Konzertlesung " 25 Jahre Deutsche Einheit- Wo stehen wir?"

Ein DDR-Koffer mit Kostbarkeiten

 
Matthias Gehlers bemerkenswerte Konzertlesung im Eichsfeldforum

 
Heiligenstadt. Ein Schreihals wollte er nie sein, obwohl ihm und vielen anderen Menschen mitunter nach Schreien zumute war. Davon erzählt eines seiner Lieder, die noch lange nachwirken. Seine Stärke sind die leisen Töne,  die eindringlichen, niemals aufdringlichen Worte. Wenn es angeraten war, sein Anliegen so vorzubringen, dass, wer wollte, zwischen den Gedichtzeilen las, halfen ihm graue Spatzen oder der Hecht im Karpfenteich als Fabeltiere. Matthias Gehler öffnete seinen Original-DDR-Koffer und hatte zwei Gitarren mitgebracht. Zur Konzertlesung am Donnerstag im
Marcel-Callo-Haus, einer besonderen Form des Eichsfeldforums.
 
Sein Platz ist im MDR-Landesfunkhaus Thüringen in Erfurt, als stellvertretender Direktor, Chefredakteur und Hörfunkchef. Er hat Theologie in Deutschland, Psychologie und Kommunikation in Großbritannien studiert, war 1990 Staatssekretär und Regierungssprecher der ersten frei gewählten DDR-Regierung, mit Angela Merkel als Stellvertreterin. Matthias Gehler blieb fortan keine Zeit mehr, das zu tun, was ihm in der DDR Beifall und Einladungen von Gleichgesinnten eingebracht hatte, kritisches Beäugen und Gängelei von jenen, die kraft ihrer Macht, aber nur allzu häufig ohne Sachverstand, sich zu Bestimmern erhoben. Rund 50 Konzerte pro Jahr hat der Liedermacher gegeben. Ein Vierteljahrhundert später haben ihn Freunde und ehemalige Veranstalter ermutigt, Koffer und Gitarre wieder hervorzuholen.
 
Im Koffer liegen, wohlverwahrt, u.a. seine selbstgebauten Utensilien, der Mundharmonika und der –Gitarrenhalter und seine Quickmappen mit den damaligen Programmen. Sein wertvollstes Dokument ist die staatliche Genehmigung, als Liedermacher arbeiten zu dürfen – und hierfür musste er sich, um eine Verlängerung zu erhalten, im Drei-Jahres-Rhythmus einer gestrengen Jury stellen, die seine Texte argwöhnisch prüfte. Begriffe aus der DDR-Alltagssprache wie „Quickmappe“, „VEB“ (wo er  einen Facharbeiterberuf erlernte) und „Messe der Meister von morgen“ (in der BRD „Jugend forscht“) brauchte Matthias Gehler im Marcel-Callo-Haus nicht zu erklären. Wenige Kilometer weiter westlich ist das schon anders. So wussten beispielsweise seine Zuhörer in der Umgebung Duderstadts mit dem Begriff „VEB“ für die volkseigenen Betriebe in der Deutschen Demokratischen Republik nicht anzufangen. 
 
Für seine aktuelle Tournee hat er noch etwas dazu gepackt: ein Buch mit Liedtexten und wahren Geschichten aus seinem Alltag im Osten Deutschlands und eine CD mit Liedern. Titel: „Wenn Gedanken Flügel hätten“. Eine Liedzeile lautet: „Wir gossen Fundamente und mauerten uns ein...“ Bei seinen aktuellen Konzerten, zu denen er spielt, singt, seine Gedichte rezitiert, Geschichten aus seinem Leben erzählt und vorliest, sprechen ihn mitunter junge Leute an und fragen: “Wieso sind das Lieder von früher? Das sind doch Texte von heute!“ Diese Meinung war am Donnerstag von etlichen Besuchern jenseits des Jugendalters ebenfalls zu vernehmen und ist spätestens bei der im Lied gestellten Frage nachvollziehbar: „Warum sind wir oft so blind für Gesichter, die vom Leben gezeichnet sind?“ Die musikalisch-literarische Zeitreise endete viel zu schnell.
Zahlreiche Zuhörer waren neugierig auf einen handgeschriebenen Brief Angela Merkels an Matthias Gehler aus dem Jahr 1990. Er bringt ihn zu seinen Auftritten mit, als Kopie. Von Dankbarkeit für das 1989 Geschehene sprach Moderator Dario Pizzano. Und von Achtsamkeit, die wir in der Gegenwart so dringend brauchen.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journal.Christine Bose

Presseartikel der TLZ " Was Kinder stark macht in schweren Zeiten"


Glauben für ein erfülltes Leben
 
Göttinger Kinderärztin Dr. med. Herrad C. Hinz sprach im Eichsfeldforum 

Heiligenstadt. Schon als Dr. med. Herrad C. Hinz aus Göttingen, bekannte Kinderärztin im
Ruhestand, zum Thema „Bindungen – Warum wir nicht alleine leben können!“ im Eichsfeldforum gesprochen hatte, war das Zuhörerinteresse riesengroß. Grund genug, sie Ende Oktober 2015 erneut ins Marcel-Callo-Haus einzuladen. Diesmal mussten die Organisatoren mit Moderator Dario Pizzano sogar noch zusätzliche Tische und Stühle aufstellen. „Was Kinder stark macht in schweren Zeiten“ lautete das Thema. Es sprach auch jene Besucher an, die keine Kinder oder keine mehr zu Hause haben und keinen pädagogischen Beruf ausüben.

Die Referentin verzichtete auf ihr Honorar zu Gunsten der in Chile lebenden deutschen Ordensschwester Karoline Mayer und der von der Ordensfrau gegründeten „Fundación Cristo Vive“. Die Stiftung, deren Anliegen es ist, den Ärmsten ein menschwürdiges Leben zu ermöglichen, gibt es inzwischen außer in Chile in Bolivien und Peru. Unterstützt wird sie vom gemeinnützigen Verein Cristo Vive Europa e.V..
 
Dr. H.C. Hinz
Der Begriff „schwere Zeiten“ steht in den Ausführungen der Kinderärztin als Synonym für Gewalt, Schläge, Bedrohung, Missbrauch, Verlust und seelische Vernachlässigung mit Erkaltung des Gefühlslebens. Dr. Hinz erläuterte die Möglichkeiten der Rückkehr in ein erfülltes Leben unter dem Stichwort „Resilienz“. Der aus dem Französischen stammende  Fachausdruck der Psychologie meint die psychische Widerstandsfähigkeit, zu deren Erreichen sogenannte „Goldene Fäden“ in der kindlichen Entwicklung notwendig sind. Sie entstehen u.a. durch Bindungen an geliebte Menschen und prägen sich ins Stammhirn ein. Erwachsene seien – so die Auffassung der Referentin – sehr schnell dabei, Kindern „etwas aufzudrücken“, ihnen zu wenig Zeit zu schenken und, oftmals ohne nach den Interessen des Kindes zu fragen, stets nur das Beste für seine Zukunft zu wollen. Mit Blick auf Schule und Beruf werden mitunter so viele Förder- und Bildungsangebote ausgeschöpft, dass kaum noch Gelegenheit zum Spielen bleibt, z. B. mal in der Natur und im Matsch. Und wie oft am Tag hört ein Kind Befehle aus Erwachsenenmund: „Los!“ „Mach das jetzt“, „Schnell!“ „Beeil dich!“, „Pass auf!“
 
Als Gegenteil der Vernachlässigung führte Dr. Hinz den Fehler an, dem Kind jeden Wunsch zu erfüllen, von den Augen abzulesen. Lernen muss es, mitunter auf etwas zu verzichten oder zumindest zu warten. Mit Blick auf die Generationen, die den 1. oder 2. Weltkrieg erlebt haben, besonders in der Kindheit, nannte die Ärztin schwer traumatisierte Menschen, denen sich nach dem überstandenen Grauen kaum jemand professionell zuwandte. Die Kinder bekamen statt dessen zu hören: „Reiß dich zusammen!!, „Sei froh, dass Du am Leben bist.“
Nicht einfach, aber unbedingt hilfreich dürfte es für Erwachsene sein, für das eigene Leben professionelle Ratschläge der Ärztin in die Tat umzusetzen. Dazu gehören für jedes Lebensalter: Sich mit dem Unglück auseinandersetzen; nicht schweigen, verzeihen können, sich bewegen, Leid in Kreativität verwandeln, anderen Glück bereiten, um selbst glücklich zu werden. Über all dem – davon ist sie überzeugt – steht der tiefe Glaube, zu dem jeder Mensch finden möge.

 
mit freundlicher Genehmigung

Dipl. Journalistin Christine Bose

 

 

 

Dienstag, 6. Oktober 2015

Presseartikel der Thüringer Landeszeitung zum Thema "Evangelisierung"



Glaube ist nicht mehr das, „was sich gehört“



Dr. Markus-Liborus Hermann im Eichsfeldforum begrüßt



Heiligenstadt. Von den rund 81 Millionen Menschen in Deutschland gehen  sonntags drei bis fünf Millionen Menschen, katholische und protestantische Christen, zur Kirche. Und ihre Zahl ist, bezogen auf die vergangenen 25 Jahre, rückläufig. „Statistik ist nicht das Evangelium“, kommentierte am Donnerstag, 1. Oktober 2015, Dr. theol. Markus-Liborius Hermann im Marcel-Callo-Haus diese Situation und führte das symbolische Wortspiel an, wonach „Seelsorge keine Zählsorge“ sei. Er war der Einladung gefolgt, im Eichsfeldforum zum Thema „Evangelisierung – Aufruf zur Mission, Bekehrung oder Wiederbelebung?“ zu sprechen und mit seinen Zuhörern zu diskutieren, die davon regen Gebrauch machten. 

Moderator Dario Pizzano sprach im Namen der Besucher, als er Dr. Markus-Liborius Hermann einlud, ein zweites Mal ins Eichsfeldforum zu kommen. 1980 in Mühlhausen geboren, studierte Markus-Liborius Hermann Theologie in Erfurt, Salamanca und Jerusalem, war tätig in Lateinamerika und Europa und arbeitet seit 2010 als Referent für Evangelisierung und missionarische Pastoral im Bistum Erfurt. Das  Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ („Die Freude des Evangeliums“) von Papst Franziskus bildete die Grundlage seines Vortrages. 

Markus-Liborius Hermann sprach über soziokulturelle Veränderungen, gegen die sich die Kirche nicht stellen, wohl aber zweitausendjährige Erfahrungen einbringen könne. Wie sie angewendet, in die Praxis umgesetzt werden, „liegt an uns“. Im Gegensatz zu vergangenen Generationen sei heute Christ sein kein Erbe mehr; werde nicht mehr als „normal“ empfunden, sondern werde zur persönlichen Entscheidung in einem Umfeld, wo die Kirche kein Monopol mehr auf Hoffnung habe. „Glaube ist keine Konvention mehr, nicht mehr das, was sich gehört’, sondern ein prophetisches Zeichen“, führte der Redner an. Klassische Pfarreien seien heute nur eine Form der Kirche, ist er überzeugt und ebenso von der Bedeutsamkeit der Ökumene und dem Ausbrechen aus gewohnten Bahnen. 

Die aufmerksam seinen Ausführungen folgenden Zuhörer nahmen auch diese Erkenntnis mit: Mission besteht im Dialog. Wer sich als Christ seinem ihm bekannten und ihm unbekannten Nächsten zuwende, müsse sich damit auseinandersetzen: Es gehe nicht um Werbung, nicht darum, einen Rückeroberungsfeldzug zu führen oder eine Wiederbelebung überlebter Modelle anzustreben, denn: „Das Evangelium ist keine Einbahnstraße.“ Wer  Gespräche suche, müsse auch den Mut zur scheinbaren Vergeblichkeit aufbringen; damit rechnen, nicht gehört zu werden, weil die Situation unpassend gewesen sei oder die falschen Worte gewählt wurden und müsse damit rechnen, dass sein Gegenüber „Nein“ sage.   

Ein wichtiger Hinweis und eine Bitte des Theologen an sein Publikum: Keine negativen Bezeichnungen zu finden für Menschen, die nicht glauben. Beim Aufeinanderzugehen ihnen nicht ein defizitäres Gefühl vermitteln, das zur Empfindung führt, bei ihnen sei etwas kaputt.

Sein Fazit: „Wir leben in einer sehr, sehr spannenden Zeit des Umbruchs und wir sind auf dem Weg zu einer Missionskirche neuen Typs. Vor uns steht eine Zeit der Vielfalt. Dabei kann den Glauben weitergeben, wer selbst im Glauben stark ist.“

Sonntag, 4. Oktober 2015

Presseartikel der TLZ zum Eichsfeldforum " Das Gewissen"



Vom Gewissen lernen


Erstes Eichsfeldforum nach der Sommerpause mit Prof. Dr. Dr. Jörg Splett 



Heiligenstadt. Einen gesegneten und erkenntnisreichen Abend hatte Dario Pizzano als Moderator und Ansprechpartner des Eichsfeldforums am Donnerstag, 17. September 2015,  allen Anwesenden gewünscht. Nach der Sommerpause war im Saal kaum ein Stuhl unbesetzt geblieben. Die lebhafte Diskussion nach dem Vortrag zeigte, wie wichtig vielen Besuchern das Thema „Das Gewissen – Ort der Gotteserfahrung?“ ist. 

Fragen wurden gestellt, Zweifel angemeldet, Zustimmung, aber auch Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Auch nach dem offiziellen Ende des Vortragsabends wandten sich viele Interessenten an den Referenten, der nicht zum ersten Mal an dieser Stelle begrüßt werden konnte und eingeladen wurde, erneut ins Eichsfeld zu kommen.  Prof. Dr. Dr. Jörg Splett, Prof. em. für Philosophie aus Frankfurt/Main, einer der bedeutendsten Religionsphilosophen der Gegenwart, hatte sich des anspruchsvollen Themas angenommen. 

„Wir haben es nötig, uns Gedanken darüber zu machen“, leitete er seinen fesselnden Vortrag ein. Er schlug einen Bogen vom antiken griechischen Philosophen Platon (428/427 v.Chr. - 348/347 v. Chr.) und dessen  Schüler Aristoteles (384 v.Chr.-322 v.Chr.) über den Kirchenlehrer Augustinus (354 n. Chr.- 430 n.Chr.) und den deutschen Philosophen der Aufklärung Immanuel Kant (1724-1804)  bis zur Gegenwart. 

Die zwei Gewissensbegriffe des Mittelalters – unterschieden wurde da zwischen dem vertikalen und dem horizontalen Gewissen – erläutete der Wissenschaftler, hier in aller Kürze zusammengefasst: Das vertikale Gewissen gebiete dem Menschen: „Sei anständig“, wobei kein anständiger Mensch frage, warum er das solle. Dieses Gewissen unterscheide zwischen Gut und Böse. Beim horizontalen Gewissen, dem Wertegewissen, gehe es um die zu vermittelnde Erziehung, um die gesellschaftlichen Werte.

Prof. Splett zitierte den englischen Staatsmann Thomas Morus (1478-1535), der noch im Tower, auf seine Hinrichtung wartend, seinen Prinzipien treu geblieben war, seine Meinung nicht änderte, um damit sein Leben zu retten und seiner Familie mitteilte: „Ich kann mein Gewissen nicht auf den Rücken eines anderen Mannes binden.“ 

Das Gewissen sei, so Prof. Splett, „nicht nur ein Produkt der Evolution und der Sozialisierung.“ Bei dem abendfüllenden Thema wurde in der Diskussion der Begriff der Freiheit aufgegriffen und damit im Zusammenhang die Meinung von Politikern und Parlamentariern, ihrem Gewissen gegenüber verantwortlich zu sein. Hierzu der Philosoph, Psychologe und Theologe Jörg Splett: „Gott gibt uns die Freiheit. Die Freiheit  ist keine absolute Selbstbestimmung, sondern heißt, Ja oder Nein sagen zu können. Zur Freiheit gehören Grenzen.“ 

Er treffe so viele Christen, unterstrich er, die sich quälen, um vor Gott gut zu sein. Jedoch: „Gott liebt uns in jedem Moment, vor allen Leistungen, trotz aller Schuld.“ Zu anderen Menschen gut zu sein, was in der höchsten Form gütig bedeute; das Gewissen nicht nur als lästigen Mahner anzusehen, riet er den Zuhörenden und nannte verblüffend einfache Beispiele dafür, im Alltag gut zu sein: Dazu könne z. B. gehören, in einem Streit das letzte Wort „runterzuschlucken.“



Dipl. Journ. Christine Bose




Sonntag, 22. Februar 2015

Presseartikel der Thüringer Landeszeitung :"Ist der Glaube vernünftig?"




„Es ist ein Geschenk und muss es bleiben“



Eichsfeldforum mit Professor Dr. Eberhard Tiefensee zum Thema „Ist der Glaube vernünftig?“



Heiligenstadt. 
Vor einhundert Jahren hätte der Vortrags- und Gesprächsabend unter dem Titel „Ist der Glaube vernünftig?“ gar nicht stattgefunden, denn da hätte sich diese Frage nicht gestellt. Jedoch: „Die Zeit hat sich geändert, die Welt hat sich geändert. In unserer Gesellschaft sind Glaubensfragen ein Tabu-Thema.“ Für die westeuropäische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts treffe der Satz zu: „Ich habe eine Überzeugung, aber es gibt noch andere.“ 

Einführende Worte von Prof. Dr. Eberhard Tiefensee, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.
Als wohlbekannter Gast war er am Donnerstag von Moderator Dario Pizzano im vollen Saal des Marcel-Callo-Hauses begrüßt worden und hatte sicher mit seinem Angebot, zu einem weiteren Diskussionsabend des Eichsfeldforums gern erneut zu kommen, allen Versammelten aus dem Herzen  gesprochen. 

Religionskritiker sind schnell dabei, die Frage, ob der Glaube vernünftig ist, zu verneinen.Unsere naturwissenschaftlich geprägte Kultur lege fest – so der Referent – was vernünftig und was unvernünftig ist. Im Vordergrund stünden Zahlen und Fakten; wir haben nicht gelernt, von etwas zu reden, was umfassender ist als das, was wir mit unseren fünf Sinnen erfassen können, denn schon von Kindheit an existieren für uns „Dinge zum Anfassen“, „raumzeitliche Dinge“. Und die müssen im Bereich unserer Sinneserfahrung mit wissenschaftlichem Verstand logisch und empirisch überprüfbar sein, ähnlich wie Laborergebnisse oder wie eine Computersteuerung. Doch mit Naturwissenschaft allein lasse sich die Welt nicht  begreifen. Sofern nicht nur oberflächlich geglaubt werde, sei Glaube etwas, was die ganze Person ergreife. 

Der Referent fand einen sehr treffenden, einleuchtenden
Vergleich als Antwort auf die Frage, was richtig oder was falsch ist in der Herangehensweise an Glaubensfragen: Ein Mensch könne durch eine Stadt gehen und sie erkunden als Bauingenieur oder als Historiker. 

Er plädierte für die vernünftige Glaubensrede, für den
denkenden Christen und griff dabei u.a. zurück auf den Bibeltext des Matthäus-Evangeliums: „Du sollst den Herrn, Deinen Gott lieben mit Deinem ganzen Herzen und mit Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Denken. Das ist das große und erste Gebot.“ 

Herausragende Bedeutung misst Professor Tiefensee der Sprache bei und damit verbunden dem ständig notwendigen geduldigen Dialog, denn oft gäbe es im Alltag „Übersetzungsprobleme“. 

Zum Verständlichmachen gehöre ein permanenter Austausch. Wer von Andersdenkenden gefragt werde, wieso er an Gott glaube, möge  bereit sein zum Gespräch, nicht einfach gehen und sagen: „Du verstehst das nicht.“ 

Ebenfalls als ein Übersetzungsproblem nannte er die Reaktion einer Frau, die auf der Suche nach ihrem Glauben einen Gottesdienst besuchte und am Ende äußerte, sie habe jedes Wort verstanden, aber nicht einen einzigen Satz. 

Zu den zusammenfassenden Thesen Professor Tiefensees gehörte auch diese: „Glauben ist heute mehr denn je ein freier, durch nichts, auch nicht durch ‚richtige Erziehung’ und auch nicht durch Argumente zu erzwingender ‚Sprung’ und letztlich ein Geschenk.“ Und ein Geschenk müsse es bleiben, sonst sei es kein Glaube an Gott.



Christine Bose




Presseartikel "Alles neu- Wer ist Papst Franziskus?"



Den Papst nicht an einem Abend kennen lernen

Prof. Dr. Josef Freitag sprach im sehr gut besuchten Eichsfeldforum  

Heiligenstadt. (cb) 

Der fesselnde Vortrag begann mit einer Frage des Referenten: „Wie stellt man jemanden  vor, den Sie kennen? Sie haben ja längst gelesen, wann er geboren ist, wo er gelebt hat...“. 

Mussten sich die Organisatoren des Eichsfeldforums noch nie über mangelnden Besucherzuspruch beklagen, machte die Abendstunde am Donnerstag, 22. Januar 2015, deutlich: Es gab noch eine Steigerung. Die Zuhörer  waren ins Marcel-Callo-Haus geströmt, um beim ersten Eichsfeldforum des Jahres 2015 Antworten auf die Fragen zu erhalten: „Alles neu? Wer ist Papst Franziskus?“ 

Dario Pizzano als Ansprechpartner für die hochkarätige Reihe begrüßte hierzu Prof. Dr. Josef Freitag, Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Josef Freitag, der 1976 zum Priester geweiht wurde, studierte Philosophie und Theologie an den Universitäten Münster, Strasbourg und Rom. Dario Pizzano verwies darauf, dass die Worte und das Handeln des Oberhauptes der katholischen Kirche in aller Munde und in allen Medien seien. 

Im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Papst Benedikt XVI habe Franziskus „bei gleicher Sache und gleichem Glauben einen völlig neuen Stil entwickelt“, so Prof. Freitag, um hinzuzufügen: „Sie werden ihn nicht heute Abend, aber permanent kennen lernen.“  Der neue Papst könne uns auf Dinge aufmerksam machen, „die wir nicht sehen.“ 

Sehr zum Nachdenken anregend sind die Worte des Theologen und Lehrenden zur Weihnachtsansprache des Papstes an die Leiter der vatikanischen Kurie. Da könnte jetzt so mancher ausrufen: „Er hat denen aber ganz schön die Meinung gegeigt und die Leviten gelesen!“ Doch sei vielmehr zu fragen: „Was trifft davon auf mich selber zu? Blicke ich schadenfroh auf andere oder betrachte ich die Worte der Weihnachtsansprache als Hilfe für mich?“ 

Kritisch blickte Prof. Freitag auf Erscheinungen unserer heutigen Kultur, die häufig darauf gerichtet seien, narzisstisch und selbstzentriert zu bleiben, selbst gut dazu stehen, niemanden an sich „ranzulassen“, sich mit dem Anliegen zu beschäftigen: „Wie beeinflusse ich andere?“ 

Einen nicht unbeträchtlichen Teil des Abends widmete der Gast dem viel beachteten Apostolischen Schreiben des Heiligen Vaters vom 24. November 2013 „EVANGELII GAUDIUM“ („Die Freude des Evangeliums“), gerichtet auch an die „christgläubigen Laien“. Damit verkünde der Papst – das unterstrich der Dogmatik-Professor – kein Regierungsprogramm. 

Der Hinweis des Referenten lautete, den Text zu lesen, um das Neue kennen zu lernen. Nicht nur für die Bischöfe, Priester, Diakone, sondern für alle Getauften sei dieses Programmschreiben bestimmt, wolle doch Franziskus darin klar machen: Die Begegnung mit Jesus gebe Kraft und stehe jedem Menschen offen. Die Jünger Jesu – dies als Anmerkung Prof. Freitags – hätten, um das Evangelium zu verkünden, keine Zeit für eine Ausbildung gehabt, sondern mit dem Herzen gehandelt. 

Die sich anschließende angeregte Diskussions- und Fragerunde zeigte sehr deutlich, wie sich die Zuhörer mit der Person Papst Franziskus und seinem Tun beschäftigten. Eine Bemerkung Professor Freitags wirkt über den Abend hinaus: „Sie werden Franziskus nur verstehen, wenn Sie selber Jesus begegnen. Das traut Ihnen Franziskus zu.“

Christine Bose