Glaube. Bildung. Leben .

HERZLICH WILLKOMMEN AUF DIESEM BLOG

Dienstag, 18. Januar 2011

Der Mensch als Maß aller Dinge?

Der Mensch als Maß aller Dinge?

Professor Dr. Eberhard Tiefensee gab viele Denkanstöße mit auf den Weg


Heiligenstadt. „Ich werde Sie mit vielen Fragen nach Hause schicken.“ Professor Dr. Eberhard Tiefensee, Lehrstuhl für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, verblüffte zwar zu Beginn seines Vortrages am Donnerstag im Marcel-Callo-Haus mit dieser Ankündigung, doch gab er zugleich Denkanstöße mit auf den Weg. Dass er sehr viele des Nachdenkens werte Impulse gegeben hatte, bewies nicht zuletzt die umfangreiche Diskussion.


Sein Vortrag „Der Mensch – Maß aller Dinge?“, versehen mit einem provozierenden Fragezeichen, eröffnete die Angebotsreihe 2011 im sehr gut besuchten Eichsfeldforum. Atheistisches werde vermutet, so der Gast, angesichts der These des griechischen Sophisten (Gelehrter vor Sokrates) Protagoras (5. Jh. v. Chr.) und seitdem würden die Philosophen über diesen als „Homo-mensura-Satz“ bekannten Ausspruch streiten. Der steht im Original ohne Fragezeichen und lautet vollständig „Aller Dinge Maß ist der Mensch, der seienden, wie sie sind, der nichtseienden, wie sie nicht sind.“

Seinen Vortrag charakterisierte Professor Tiefensee treffend als einen Versuch, eine Schneise in einen Dschungel zu schlagen, aus einem Wald herauszukommen auf eine Lichtung. Die Herrlichkeit des Menschen gäbe es ebenso wie es Auschwitz gegeben habe, wo Juden nicht wie Menschen, sondern wie Ungeziefer behandelt wurden. Um Menschenwürde ging es an diesem bemerkenswerten Abend, um Menschenrechte,um die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen,verfasst noch unter dem Eindruck des zu Ende gegangenen 2. Weltkrieges.

Jeder einzelne Fakt der Darlegungen barg allein schon so viel Potential, um ihm ein eigenes Thema zu widmen: Geht es bei diesem Zitat um den Einzelnen, um eine Gruppe oder die gesamte Menschheit? Ist die Realität tatsächlich so, dass der Mensch Maß aller Dinge ist bzw. sei oder soll sie so sein? Befassen wir uns mit der Frage vorrangig auf einer medizinischen, pädagogischen, politischen oder religiösen Ebene? Gelten Begriffe wie Würde und Rechte auch für Tiere, ja für die gesamte Schöpfung? Sind Embryonen schon und sind Tote noch Menschen, deren Würde zu wahren ist, bei Verstorbenen z. B. im Zusammenhang mit einer  Organentnahme? Sind befruchtete Eizellen in der Petrischale menschliches Leben? Und schließlich die entsetzte Frage, die so oft gestellt wird angesichts von Sexualstraftätern oder Massenmördern: „Sind das noch Menschen?“

Bereits im Jahre 1929 habe Bertolt Brecht in seinem „Badener Lehrstück“ formuliert, es wisse seit langer Zeit niemand mehr, was ein Mensch ist. Als Moderator unterstrich Dario Pizzano abschließend noch einmal, was der Referent zum Ausdruck gebracht hatte: Die philosophischen Fragen seien heute viel größer als sie früher waren. Während seines äußerst anspruchsvollen, aber ebenso anschaulichen Vortrages hatte Professor Dr. Tiefensee mehrmals den deutschen Philosophen der Aufklärung Immanuel Kant (1724-1804) zitiert. Am Ende stand dessen Maxime: „Handle so, daß du die Menschen, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“

Dipl.Journ.Christine Bose