Hat die Kirche noch eine Zukunft?
Professor aus Deutschland und Bischof aus Honduras zu Gast im Eichsfeldforum
Heiligenstadt. Eine Doppelveranstaltung sollte das Eichfeldforum im Dezember beschließen. Als Verantwortlicher hatte Dario Pizzano für den 2. Dezember zum Vortrag „Hat die Kirche noch Zukunft“ ins Marcel-Callo-Haus eingeladen, mit dem Ziel, dass Prof. Dr. Dr. Hermann Steinkamp aus Münster u. a. die Fragen erörterte, ob die Volkskirche am Ende ist, wie sich die Kirche im 21. Jahrhundert entwickelt, wie Seelsorge und Diakonie der Zukunft aussehen, gefolgt von der Podiumsdiskussion „Kirche der Zukunft“ eine Woche später.
Bereits der Vortragsabend kann als Doppelveranstaltung bezeichnet werden, war doch Bischof Guy Plante ebenfalls anwesend, Kanadier mit honduranischer Staatsbürgerschaft, Gast im Bistum Erfurt. Mit Adveniat-Referent Christoph Huber als Dolmetscher an seiner Seite ( die Bischöfliche Aktion Adveniat ist bekanntlich das Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland) berichtete er aus seiner Diözese. Das arme Land, wo er seit 1970 lebt, „ist auch arm an Priestern.“
Doch staunten manche Zuhörer über die Entwicklung seit März 1966. Zwei Bauern hatten beim Bischof von Choluteca um einen Priester für die Ostermesse gebeten. Jener lud in Ermangelung eines Priesters 17 Bauern zu einem Lehrgang für von Laien geleitete Gottesdienste ein. Der Erfolg war so überwältigend, dass Bischof Plante jetzt von einer Erneuerung der Kirche in Honduras sprechen kann, denn: „Heute sorgen 17 000 Laien, Männer und Frauen, als Delegierte des Wortes für ein lebendiges Gemeindeleben“ Zu vergleichen sei dies mit kleinen Modellen der Urgemeinde aus der Apostelgeschichte. In seiner Diözese gibt es für 600 000 Katholiken 26 Priester. Dieser Reifungsprozess sei nicht von heute auf morgen vonstatten gegangen als ein Weg mit der Gemeinde, der freilich nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden könne.
Drei Jahrzehnte lang hat Prof. Dr. Dr. Steinkamp, Pastoralsoziologe und Religionspädagoge, an der Universität Münster gelehrt. Provokantes stand am Anfang, lautete doch seine Prognose: Kirchenaustritte, Verlust der gesellschaftlichen Relevanz, Traditionsabbruch seien Anlass zu besorgter Reaktion. Eine Diaspora-Situation, „noch drastischer als in der DDR“, komme auf die Kirche zu; neue Seelsorgeeinheiten, sprich größere Pfarreien, seien ein letzter Versuch, auf den Priestermangel zu reagieren. Das Wort des Propheten Jeremia „Suchet der Stadt Bestes“, gerichtet im Jahre 593 v. Chr. an seine Landsleute im Exil, stehe heute nicht für eine Großstadt, sondern dafür, Dienst zu tun in einer gottlosen Gesellschaft, in der der Götze Kapital herrscht, begleitet von aggressiver Werbung „für alles und jedes“. Wohl erwarte die Mehrheit der nicht christlichen Bevölkerung Caritas und Diakonie, aber häufig als Kunde König.
Angesichts wachsender Gewaltbereitschaft gegen Migranten und Randgruppen, Gleichgültigkeit gegenüber Armen, Arbeits- oder Obdachlosen seien Christen aufgefordert, sich nicht in Pfarrhäusern und Pfarrzentren zu verkriechen. Nicht am Schreibtisch Strukturreformen planen, so der emeritierte Professor, sondern sich besinnen, zurück bis zur Osterbotschaft, bis zu den Emmaus-Jüngern. Die Worte „Brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete...“ seien in der Gegenwart kein religiöser Kick, sondern kostbares Saatgut.
In der teilweise heftigen Diskussion forderte ein katholischer Christ, die Titelfrage klar mit Ja oder Nein zu beantworten. Doch ist dieses Thema viel zu kompliziert ist, um ein einziges Wort als Antwort zu bemühen.



