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Montag, 13. Dezember 2010

Hat die Kirche noch eine Zukunft?


Hat die Kirche noch eine Zukunft?

Professor aus Deutschland und Bischof aus Honduras zu Gast im Eichsfeldforum



Heiligenstadt.  Eine Doppelveranstaltung sollte das Eichfeldforum im Dezember beschließen. Als Verantwortlicher hatte Dario Pizzano für den 2. Dezember zum Vortrag „Hat die Kirche noch Zukunft“ ins Marcel-Callo-Haus eingeladen, mit dem Ziel, dass Prof. Dr. Dr. Hermann Steinkamp aus Münster u. a. die Fragen erörterte, ob die Volkskirche am Ende ist, wie sich die Kirche im 21. Jahrhundert entwickelt, wie Seelsorge und Diakonie der Zukunft aussehen, gefolgt von der Podiumsdiskussion „Kirche der Zukunft“ eine Woche später. 

Bereits der Vortragsabend kann als Doppelveranstaltung bezeichnet werden, war doch Bischof Guy Plante ebenfalls anwesend, Kanadier mit honduranischer Staatsbürgerschaft, Gast im Bistum Erfurt. Mit Adveniat-Referent Christoph Huber als Dolmetscher an seiner Seite ( die Bischöfliche Aktion Adveniat ist bekanntlich das Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland) berichtete er aus seiner Diözese. Das arme Land, wo er seit 1970 lebt, „ist auch arm an Priestern.“

Doch staunten manche Zuhörer über die Entwicklung seit März 1966. Zwei Bauern hatten beim Bischof von Choluteca um einen Priester für die Ostermesse gebeten. Jener lud in Ermangelung eines Priesters 17 Bauern zu einem Lehrgang für von Laien geleitete Gottesdienste ein. Der Erfolg war so überwältigend, dass Bischof Plante jetzt von einer Erneuerung der Kirche in Honduras sprechen kann, denn: „Heute sorgen 17 000 Laien, Männer und Frauen, als Delegierte des Wortes für ein lebendiges Gemeindeleben“ Zu vergleichen sei dies mit kleinen Modellen der Urgemeinde aus der Apostelgeschichte. In seiner Diözese gibt es für 600 000 Katholiken 26 Priester. Dieser Reifungsprozess sei nicht von heute auf morgen vonstatten gegangen als ein Weg mit der Gemeinde, der freilich nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden könne.

Drei Jahrzehnte lang hat Prof. Dr. Dr. Steinkamp, Pastoralsoziologe und Religionspädagoge, an der Universität Münster gelehrt. Provokantes stand am Anfang, lautete doch seine Prognose: Kirchenaustritte, Verlust der gesellschaftlichen Relevanz, Traditionsabbruch seien Anlass zu besorgter Reaktion. Eine Diaspora-Situation, „noch drastischer als in der DDR“, komme auf die Kirche zu; neue Seelsorgeeinheiten, sprich größere  Pfarreien, seien ein letzter Versuch, auf den Priestermangel zu reagieren. 

Das Wort des Propheten Jeremia „Suchet der Stadt Bestes“, gerichtet im Jahre 593 v. Chr. an seine Landsleute im Exil, stehe heute nicht für eine Großstadt, sondern dafür, Dienst zu tun in einer gottlosen Gesellschaft, in der der Götze Kapital herrscht, begleitet von aggressiver Werbung „für alles und jedes“. Wohl erwarte die Mehrheit der nicht christlichen Bevölkerung Caritas und Diakonie, aber häufig als Kunde König.

Angesichts wachsender Gewaltbereitschaft gegen Migranten und Randgruppen, Gleichgültigkeit gegenüber Armen, Arbeits- oder Obdachlosen seien Christen aufgefordert, sich nicht in Pfarrhäusern und Pfarrzentren zu verkriechen. Nicht am Schreibtisch Strukturreformen planen, so der emeritierte Professor, sondern sich besinnen, zurück bis zur Osterbotschaft, bis zu den Emmaus-Jüngern. Die Worte „Brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete...“ seien in der Gegenwart kein religiöser Kick, sondern kostbares Saatgut.    

In der teilweise heftigen Diskussion forderte ein katholischer Christ, die Titelfrage klar mit Ja oder Nein zu beantworten. Doch ist dieses Thema viel zu kompliziert ist, um ein einziges Wort als Antwort zu bemühen.

Jesus von Nazareth- Archäologen auf den Spuren des Erlösers


Archäologen auf der Spur des Erlösers

Autor und Historiker Michael Hesemann zu Gast im Eichsfeldforum  

Heiligenstadt. 

Die Evangelisten wussten ganz genau, worüber sie geschrieben haben; Matthäus und später Lukas hinterließen keine frommen Legenden, sondern Berichte, die heute den Untersuchungen von Historikern,  Archäologen und Astronomen standhalten. Fazit eines spannenden Bildungsabends im Marcel-Callo-Haus, dessen Inhalte nur ansatzweise wiedergegeben werden können.


Zu Autorenlesung und Gespräch war Michael Hesemann aus Düsseldorf  angereist. Der international tätige Autor, Historiker, Dokumentarfilmer und Fachjournalist für populärwissenschaftliche und kirchengeschichtliche Themen nahm im Eichsfeldforum die zahlreichen Interessenten mit auf eine spannende Reise in die Vergangenheit, um u. a. den historischen Hintergrund des Weihnachtsfestes, der Geburt und der Kindheit Jesu zu erläutern.


Im Mittelpunkt stand sein bisher letztes – das nächste ist in Arbeit – seiner über 30 Bücher, die in 14 Sprachen übersetzt wurden: „Jesus von Nazareth – Archäologen auf den Spuren des Erlösers“. Michael Hesemann kennt aus eigener Anschauung alle Orte, über die er schreibt, hält Kontakt zu Geschichtswissenschaftlern, besucht Archäologen an ihren Ausgrabungsstätten, war bekannt mit dem international angesehenen  israelischen Archäologen Ehud Netzer. Der Ende Oktober 2010 verstorbene Wissenschaftler, der drei Jahrzehnte lang in Jerusalem nach dem Grab des Herodes gesucht hatte, hatte mit dem sensationellen Fund in der Palastanlage auf dem Hügel im Jahre 2007 in Fachkreisen weltweit von sich reden gemacht. Im Heiligen Land, dessen Besuch Michael Hesemann unbedingt empfahl, könne man heute auf wissenschaftlicher Grundlage die in den Evangelien genannten Stellen „verorten“.


Es beabsichtige nicht, den Zuhörern Weihnachten kaputt zu machen, noch dazu jetzt, vier Wochen zuvor. Wie ist das aber mit der Geschichte, wonach Maria ihr Kind, den Sohn Gottes, in einem Stall zur Welt brachte? „Unsere mitteleuropäischen Vorstellungen von einem Stall sind andere“, erläuterte der Autor: Im Heiligen Land wurde Bauholz teuer aus dem Libanon importiert. Die Menschen bauten deshalb keine Ställe im herkömmlichen Sinne, sondern schlugen sogenannte Stallhöhlen in die Kalksteinfelsen und bauten ihre Wohnhäuser davor. Die Stallhöhlen boten zudem klimatische Vorteile, waren im Winter warm und im Sommer angenehm kühl. Zur Steuerschätzung ist historisch belegt: Entrichtet werden mussten eine Kopf -und eine Bodensteuer. Wer Grund und Boden besaß, hatte seine Steuererklärung am Ort des Grundbesitzes abzugeben.


Nach dem Lukas-Evangelium befanden sich zur Geburt Jesu die Hirten mit ihren Schafherden auf dem Feld. Nach dem Talmud, dem bedeutendsten Schrifttum des Judentums, wurden die Schafe im März auf die Weide gebracht und im November in ihre Ställe. Feiern wir also Weihnachten, das schönste aller Feste im Jahreslauf, drei Monate zu früh? Hierzu Michael Hesemann: „Historische Forschung muss vorurteilsfrei geschehen.“ Dennoch gab er den Zuhörern mit auf den Weg: Das Weihnachtsfest im Dezember, wenn das Licht über die Dunkelheit siegt, ist so wunderbar als Zeitpunkt der Geburt Christi.


Und wer will schon am Heiligen Abend darüber nachdenken, ob dieser Tag mit dem historischen Termin identisch ist. 

Christine Bose