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Mittwoch, 29. September 2010

Eichsfeldforum Kinder-und Jugendarmut in Deutschland?


Wer hier spart, muss draufzahlen!
Eichsfeldforum zur Kinder- und Jugendarmut in Deutschland

Heiligenstadt. (tlz/cb) Er müsse aufpassen, dass er die vorgesehene Zeit einhalte, denn es gäbe noch viel mehr zu sagen, als während einer solchen Abendveranstaltung möglich sei, betonte Dipl.-Sozialpädagoge Clemens Bech, Caritasverband Leipzig e.V., und befand sich damit in Übereinstimmung mit den anderen Podiumsgästen. 

Zum ersten Eichsfeldforum nach der Sommerpause, moderiert von Dario Pizzano, Referent im Bildungswerk, war am Donnerstag in die Villa Lampe eingeladen worden. Dipl.-Pädagoge Thomas Holzborn, Villa-Leiter und Gastgeber sowie Dipl.-Psychologin Heidrun Horstmeier, Sozialdienst katholischer Frauen, tätig in der Erziehungs-, Familien- und Jugendberatung in Worbis, Leinefelde und Heiligenstadt, so in den Leinefelder Einrichtungen „Seelenvogel“ e.V. und „Regenbogenhaus“, hatten sich ebenfalls des Themas angenommen, zu dem sich eine lebhafte Diskussion entwickelte: „Kinder- und Jugendarmut in Deutschland? Mehr als nur Hartz IV“! 
 
Armut in Europa wird häufig im Zusammenhang mit osteuropäischen Ländern wie Rumänien oder der Ukraine erwähnt, doch wächst in der hochentwickelten Industrienation Deutschland ständig die Zahl der von Armut Betroffenen. Nicht nur in Großstädten, nein, auch im Eichsfeld. Obwohl sich – so Clemens Bech – Fachleute über konkrete Armutsdefinitionen, Zahlen und Fakten streiten würden, berufe er sich auf die folgenden aktuellen Angaben, bezogen auf das Einkommen: Jeder siebente Einwohner in Deutschland, das sind 11,5 Millionen Bürger, ist arm, jeder fünfte Jugendliche in der gesamten BRD und jeder dritte Jugendliche im Osten. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.

Und da trifft es bei Weitem nicht nur die Bezieher von Hartz IV, sondern auch die 9,9 Prozent der in Deutschland arbeitenden Armen, die von ihrem durch Arbeit erzielten Einkommen nicht leben, ihre Familie nicht ernähren können. Damit einher gehen häufig emotionale, soziale und kulturelle Armut, die eingeschränkten Möglichkeiten an „gesellschaftlicher Teilhabe“. Disco, Schwimmbad, Sportverein, Kino, Theater, Klassenfahrten und Ferienfreizeiten, gesunde Ernährung wurden als Stichworte genannt, ebenso die Tatsache, dass in den Schulen oft vorausgesetzt wird, in jedem Haushalt befinde sich zum Wissenserwerb ein Computer mit Internetanschluss. 

Sehr deutlich wurde aber von Heidrun Horstmeier und Thomas Holzborn hervorgehoben: Überforderte Eltern, die selbst hochgradig problembelastet sind, deshalb ihr eigenes Kind aus dem Blick verlieren, sich ihm nicht mit Liebe und Anerkennung zuwenden, können das auch nicht materiell ausgleichen mit dem eigenen Fernseher fürs Kind, mit dem Kauf von Playstation und Handy. Wenn sich Kinder als Verlierer fühlen, die einfach nichts hinkriegen, geraten sie in eine Außenseiterrolle und das oft ein Leben lang. Wissenschaftler haben Fachbegriffe für das, was in der Diskussion eine allein erziehende mehrfache Mutter betonte: „Ein Waldspaziergang mit meinen Kindern kostet nichts.“ Über Prävention wurde gesprochen, über Möglichkeiten, Armut zu verhindern oder zu mildern. 

Clemens Bech ist mit Blick auf die gesamte Gesellschaft und die Verantwortung des Staates sicher: „Wer hier spart, wird früher oder später draufzahlen!“

Dipl. Journal. Christine Bose

Montag, 6. September 2010

Rezension in der Zeitschrift "Leben" von Sebastian Grundberger

Heute bin ich Gott begegnet“
Dario Pizzano schreibt ein Buch über seine „Wahnsinns-“ Bekehrung

Viele Menschen bekommen den Glauben mit in die Wiege gelegt. Solche Menschen haben das Glück, gewissermaßen in den „Glaubens-Zaubertrank“ gefallen zu sein. Bei anderen schlägt Gott buchstäblich aus heiterem Himmel ein. Wie das geht, beschreibt Dario Pizzano in seinem Buch „Exzess - Meine zwei Leben“. Nervlich und psychisch am Ende spricht er auf einer Autofahrt im Jahr 2005 den Satz vor sich hin: „Mein Gott, ich kann einfach nicht mehr“. Was dann passiert, beschreibt der damals 31jährige so: „Da geschieht es. Ich fühle, das JEMAND diesen Satz hört. Ich pralle zurück. Bin wie geschlagen. Körper, Seele, Geist – alles zugleich wird berührt. Ich zittere. Was ist das? Hilfe! Werde ich verrückt? Nein. Es ist keine Einbildung. Es ist wahr. Liebe, unfassbare Liebe durchdringt mich.“

Von da an ist nichts, wie es war im Leben des Dario Pizzano. Völlig überwältigt vertraut sich der Deutsch-Italiener den ersten Menschen an, die er trifft. „Heute bin ich Gott begegnet“ bringt er hervor. Bis zu diesem Tag hatte Dario Pizzano mit Gott oder Kirche nicht viel zu tun. Als Eventmanager und Geschäftsführer mehrerer Clubs war sein bisheriges Leben alles andere als lichtdurchflutet. Auf eine schwierige Kindheit bei getrennten Eltern, die kaum Zeit für ihn hatten, folgte ein Leben, in dem er stets seine eigene Angst betäubte – mit Exzessen. Mit Drogen, Alkohol, Frauengeschichten und allem, was dazu gehört. Schonungslos offen beschreibt Pizzano diese Zeit. In einigen Phasen habe er „quasi permanent die Alkoholflasche an der Kehle“ gehabt und oft - statt echte Freundschaften zu schließen - Ecstasy, LSD und Opium „näher kennen gelernt“. Glücklich ist er bei all dem nicht geworden. Immer wieder erlebt er Abstürze. Einmal durchfährt es den Autor mitten auf einer „abartigen“ Party wie ein Blitz: „Ich bin (…) zum Kotzen“.

Dario Pizzano schreibt, wie er spricht. Mit kräftiger und authentischer Sprache beschreibt er die Abstürze und Glücksmomente seines Lebens – und wendet sich direkt an seine damaligen Weggefährten: „Ich bin einfach Christ geworden. (Christ, wohlgemerkt, nicht Heiliger. Bis dahin ist es noch eine lange Strecke.) Hmm. Ihr wisst selbst, wie ich früher drauf war, wie gerne ich über das lästerte, was auch nur nach Religion roch. Ihr habt ein Recht zu fragen: Und nun steht er gleich auf den Papst? Wäre das nicht auch mit Tantra gegangen? Oder mit tibetanischem Buddhismus? Warum gleich sowas Abgefahrenes? Habe ich mich auch gefragt. Aber vielleicht interessiert Euch die Geschichte ja.“

Diese Geschichte ist wirklich interessant. Sie führt aus dem tiefsten Sumpf in die Liebe Gottes. Vom „Beziehungskurzarbeiter“ vor den Traualtar. Von der Piste zum Papst. Von bunten Pillen in ein buntes Leben. Und die Art, in der Dario Pizzano sie schreibt, ist mitreißend. Er trägt sein Herz auf der Zunge und verbirgt nichts – keinen Absturz aber auch keinen Deut von der Freude und der Liebe, die ihm sein neues Leben mit Gott schenkt. 


Genau diese schonungslose Ehrlichkeit macht den besonderen Reiz von „Exzess“ aus. Das Buch ist ungehobelt, rauh und auf jeder Seite echt. Glatte Geschichten findet man woanders. Eine, die von den Socken reißt, jedoch in diesem Buch.

Der Weg des Dario Pizzano geht weiter. Heute arbeitet er beim Bistum Erfurt und ist dort für Erwachsenenbildung zuständig. Gleichzeitig versucht er, auch denen von Gott zu erzählen, die noch weit von ihm entfernt sind – durch sein Buch und in seinem Internet-Blog unter http://dariopizzano.blogspot.com/.

Sebastian Grundberger