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Dienstag, 27. Juli 2010

Der Papst ist heute nach Jesus mein größter Lehrer















Kath.Net-Interview mit Dario Pizzano über seine unglaubliche Bekehrungsgeschichte und sein Buch EXZESS und warum eine Entscheidung für ein Leben mit Jesus eben nicht nur eitel Sonnenschein ist - Von Linda Noé

Linz-München (kath.net/ln)
KATH.NET: Sie haben in Ihrem Leben eine große Wandlung und eine besondere, wohl weil sehr direkte Begegnung mit Gott erlebt. Was war oder ist für Sie das größte Wunder?

Dario Pizzano: Das größte Wunder für mich ist ganz klar die Erkenntnis dass es einen Gott gibt, dass dieser lebendig und ausgerechnet an mir persönlich und liebevoll interessiert ist. Dieser Gott ist mir seit dieser Begegnung im Auto und den darauf folgenden Ereignissen derart Wirklichkeit geworden, das ich heute mit ihm sprechen kann, wie mit einem Vater. Ja, eine tiefe, innige Freund- und Bekanntschaft mit Jesus Christus liegt meinem heutigen Leben zugrunde. Gott in meinem früheren Leben nicht zu erkennen, bedeutete für mich an innerer Einsamkeit zu implodieren. Meine Süchte und Ängste fraßen mich geradezu auf. Erst als ich Gott, in der Begegnung mit Christus erkannte, wurde ich Mensch. Diese Wahrheit, die Person ist, hat mich befreit. So kann und darf ich heute durch die Augen des Glaubens sagen: alles was ist, ist für mich heute ein Wunder./

KATH.NET: Sie beschreiben in Ihrem Buch "Exzess" auch Ihre Suche bei anderen Religionen, zum Beispiel dem Buddhismus. Können Sie sich erklären, warum dieser heute so viel Anklang bei uns findet, warum Sie selbst davon aber nicht überzeugt wurden?

Dario Pizzano: Das ganze Fortschritts und Globalisierungsdenken der heutigen modernen Gesellschaft fördert sicherlich den Wohlstand und fasziniert einerseits. Andererseits bringt er aber auch noch etwas hervor: tiefe Verunsicherung und Orientierungslosigkeit ob der Unübersichtlichkeit dieser Welt. Darum suchen die Menschen meines Erachtens auch wieder nach tieferem, sehnen sich nach Geborgenheit und Frieden. Der Buddhismus ist eine Religion der recht formlos und dogmatikfrei, friedlich aber eben unverbindlich daherkommt. Das spricht einige Menschen der Moderne vielleicht eher an. Für mich persönlich war es auf Dauer nicht befriedigend, da ich den Buddhismus als menschliche Glückstechniken, das Leid zu überwinden, erlebt habe. Das Leid aber wirklich mittragen können Sie nicht. Alle Macht, die im Buddhismus beschworen wird, ist die Macht in mir. Der Tod, vor dem ich mich mein Leben lang fürchtete, bedroht mich aber von außen. Erst die Beziehung zu dem lebendigen Gott in Christus hat mir diese Angst genommen./

KATH.NET: Was hatten die Sakramente für eine Bedeutung für Sie nach Ihrem persönlichen "Damaskuserlebnis"? Konnten Sie in der Eucharistie, in der Beichte... denjenigen erkennen, dem Sie begegnet waren?

Dario Pizzano: Die Sakramente waren sogar sehr wichtig und zentral für mich. Ich bin dankbar, in der Anfangszeit einen guten geistlichen Begleiter auf dem Weg geschenkt bekommen zu haben. Er hat mich kompetent an die Sakramente heran geführt und tatsächlich habe ich sie als wirkmächtig erfahren. Insbesondere die erste große Lebensbeichte, in der ich Gott als den allmächtigen, vergebenden und erbarmenden Vater erfahrenden habe, war ein unfassbares Geschenk. Die ersten Besuche in der Messe und der Empfang der Eucharistie verliefen stets unter Tränen vor lauter Dankbarkeit und Glück über die Gemeinschaft mit diesem Gott. Ja, ich kann Gott wirklich, in diesen großen Geschenken der Sakramente, erkennen und begegnen. /
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KATH.NET: Was hat Sie zu Beginn auf ihrem Glaubensweg am Meisten fasziniert?

Dario Pizzano: Da gibt es so vieles. Es war, so schreibt G. K. Chesterton ja über den Glauben: ein einziges Abenteuer! Diese unverdiente Gnade, das Angenommensein, das Ankommen bei Jesus ohne Beweis- und Leistungspflicht. Die geschenkte Vergebung. Das neue Getragen Sein. Das Erkennen wichtiger Zusammenhänge im Leben. Die neuen Augen: mir wurden neue Augen geschenkt. Ich sah die Welt und Menschen erstmalig als das an, was Sie wirklich sind: Wunder! Geschöpfe und Schöpfung eines Liebenden. Ich durfte mich als geliebtes Kind Gottes erfahren. Das alles war und ist bis heute einfach nur faszinierend. Darum möchte und muss ich auch einfach davon erzählen. /"/Unmöglich können wir schweigen/ /über das/, /was/ /wir/ gesehen /und/ gehört /haben/" (Apg 4,20).

KATH.NET: Wie war die Reaktion Ihrer "alten" Freunde auf ihren Lebenswandel?

Dario Pizzano: Erst einmal haben Sie das wieder einmal für eine meiner verrückten Ideen gehalten. Sie meinten mit einem Augenzwinkern:"Jetzt macht er mal einen auf den heiligen Franziskus vom Eichsfeld. Danach vielleicht noch mal ins Dschungelcamp!?" Einige hielten mich für verrückt. Einige haben mich verlassen. "Jetzt ist er durchgeknallt." Doch viele haben recht schnell merken müssen, da ich es ernst meine. Ich habe mich firmen lassen, angefangen Theologie zu studieren und danach alles hinter mir gelassen, was vorher mein Leben bestimmt hatte. Heute lacht keiner mehr von den echten Freunden, einige haben ihrem Leben auch eine Wende gegeben: sie sind Christen geworden und/oder fragen mich heute viel im Bezug auf den Glauben an Jesus und die Kirche. Ich bin sehr dankbar, dass alle meine wahren Freunde auch heute noch in meinem Horizont sind und ich selbst Ihnen weiterhin ein Freund sein kann./

KATH.NET: Sie sprechen in Ihrem Buch offen über Depressionen und auch die Diagnose Burnoutsyndrom, und das "obwohl" Sie gerade Christ geworden waren. Sie vergleichen diese Zeit mit der Wüste. Können Sie uns darüber näheres sagen?

Dario Pizzano: Ja, ich glaube in der Tat, das es wichtig ist zu sagen, das die Entscheidung für ein Leben mit Gott, mit Jesus eben nicht nur eitel Sonnenschein ist, sondern auch die Begegnung mit der Wahrheit. Das ist mehr als nur ein Wohlfühlgott. Die Wahrheit kann auch schon mal sehr wehtun und ich habe dies Diagnose Burnoutsyndrom als meine Wüstenzeit erlebt. In dieser Zeit ist ja auch das Buch entstanden. In der Wüste, der Einsamkeit, wird man bereits erwartet. Von der Wahrheit. Von Gott selbst. Er hat mir dort vor Augen geführt, dass ich seine Vergebung nicht nur anzunehmen, sondern sie auch weiterzugeben habe. Er hat mir gezeigt, wie schuldig auch ich mich gemacht habe, an anderen Menschen. Zudem habe ich in diesen 9 Monaten Einsamkeit fast alles über meine Herkunft erkannt und nur so wurde mir heute eine Zukunft, eine neue Berufung, ermöglicht. Heute stehen alle meine mir geschenkten Talente im Dienst der Kirche./

KATH.NET: Heute gibt es viele Menschen, die mit der katholischen Kirche nichts mehr anfangen können bzw. die über den Papst, die Priester, den Zölibat... jammern und glauben, dass hier dringend Reformen anstünden. Was ist Ihre Meinung dazu?

Dario Pizzano: Der kolumbianische Philosoph N.G.Davila hat einmal gesagt, ein Katholik, der beginnt sich um seine Kirche zu sorgen, ist kein Katholik mehr. Ich glaube, er hat Recht! Erstens ist es nicht *Seine, *also *unsere* Kirche, sondern es ist die Kirche des Herrn! Mir fehlt vor allem das sentire cum ecclesia. Das Mitfühlen und der Gehorsam mit Kirche. Für mich ist die Kirche ein Ort der Freiheit! Diskussionen wie Abschaffung des Zölibats und Priestertums befremden mich. Ich würde mir das Gegenteil wünschen: die Aufwertung, Unterstützung und ein neuer Respekt gegenüber diesen Berufungen. Der heiligmäßige Priester und der Zölibat sind eine Provokation in der heutigen modernen Welt. Das ist mir bewusst. Aber nicht ohne Grund gibt es sie und nicht ohne Grund sollen diese abgeschafft werden. Es fehlt leider bei einigen eine echte Beziehung zu Christus, ohne die ein symphatisches, also mitfühlendes und wohlwollendes Verstehen für Kirche leider abhanden kommt. Zum Papst kann ich nur eines sagen: ich erlebe ihn als ein einziges Geschenk auf meinem Glaubensweg und an diese Kirche. Ich lese alle seine Bücher und Enzykliken. Er ist heute nach Jesus mein größter Lehrer./

KATH.NET: Sie haben zwei Kinder- was ist Ihnen am Wichtigsten, diesen mitzugeben bzw. wie glauben Sie, können Eltern heute dazu beitragen, dass ihre Kinder nicht in die Drogenszene abrutschen?

Dario Pizzano: Das allerwichtigste ist denke ich vor allem eines: die Kommunikation und das Vertrauen. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es, das viele zu wenig untereinander reden. Je mehr Gott aus unserem Leben verschwindet, desto weniger verstehen und lieben wir uns. Siehe den Turmbau zu Babel. Darum versuchen wir es mit meinen Kindern so: wir beten miteinander vor dem Essen und Sonntag in der Messe, wir sprechen von Gott, der Liebe, dem Wert und der Würde, die wir als Menschen von Gott haben. Wir nehmen sie ernst. Wir trauen ihn etwas zu. So glaube ich das beste Mittel, Kinder nicht an die Drogen zu verlieren ist, sie so zu lieben, wie Gott sie sieht! /

KATH.NET: Herzlichen Dank für das Interview!

KATH.NET-Lesetipp: Exzess – Meine zwei Leben! - Sehr lesenswert und sehr spannend!

KATH.NET-Lesetipp: LESEPROBE aus dem Buch!

JA! zur Kirche - Die Diskussion auf Facebook

kathTube: Interview von BIBELTV mit Dario Pizzano


Mittwoch, 7. Juli 2010

AUF UMWEGEN ZU GOTT Eine mitreißende Lebensgeschichte

AUF UMWEGEN ZU GOTT

Eine mitreißende Lebensgeschichte

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Exzess: Meine zwei Leben
Dario Pizzano
ISBN 978-3-629-02242-4
Exzess: Meine zwei Leben
(”Exzess: Meine zwei Leben” )
Dario Pizzano schildert in „Exzess“ überzeugend ehrlich die zwei Seiten seines Lebens: seine Alkoholexzesse, seine Erfahrungen mit harten Drogen und sein Leben auf der Überholspur, wie auch die allesverändernden religiösen Erfahrungen, die sein Leben zum Guten wenden. Ein sehr authentisches und glaubwürdiges Buch, das gleichzeitig ein Wegweiser in das Leben sein kann.

Pizzanos Weg

Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann arbeitete Pizzano zwölf Jahre erfolgreich als Eventmanager und Clubbetreiber. Insgesamt fünfzehn Jahre lässt er nichts aus: Partys, Drogen, erotische Abenteuer. Er ist stets auf der Suche nach dem nächsten Highlight. Dabei macht ihm jedoch der Erfolgsdruck durch seinen Vater und die ständige Suche nach dessen Anerkennung sehr zu schaffen. Irgendwann fühlt er sich ausgebrannt und leer. Er spürt immer wieder die panische Angst vor dem Tod. Sein Leben entgleitet ihm immer mehr.

Eines Tages liest er ein Buch vom Dalai Lama. Der Gedanke, das Leid der Welt anzunehmen, es zu überwinden und klug daraus zu werden, spricht ihn unvermittelt an. Ebenso die Einstellung, viele Dinge nicht so wichtig zu nehmen, auch den Tod nicht. Pizzano hat das Gefühl, Frieden in seiner Seele gefunden zu haben. Trotzdem kann er die Angst vor dem Tod nicht ablegen. Seine Begründung dafür: „Aber hier wird kein Gott gerufen, der mich hört und der mir hilft. Alle Macht, die im Buddhismus beschworen wird, ist die Macht in mir. Der Tod bedroht mich aber von außen. … die Lektüre hinterlässt Enttäuschung und einen bitteren Nachgeschmack: alles nur Menschenwerk, …“

Pizzano ist also weiter auf der Suche. Sein Interesse an religiösen und philosophischen Fragen ist geweckt. Er sympathisiert mit Nitsche, Kant und Platon, weil auch sie sich ehrliche Gedanken um den Sinn des Daseins machen. Aber so richtig bringt ihn auch diese Sichtweise vom Leben nicht weiter. Zwei weitere Ereignisse machen Pizzano in der folgenden Zeit sehr zu schaffen. Eine neue Geschäftsidee scheitert und sein geliebter Großvater aus Italien stirbt. Dies führt ihn in eine weitere Depression. Bis ihm eines Tages etwas Merkwürdiges passiert, das ihm die Gewissheit gibt, „Es gibt Gott! ER sieht mich! ER ist da!“ und schließlich zum kompletten Ausstieg aus seinem bisherigen Leben führt.

Es ist ein aufrichtiges Buch.
 


Als Leser spürt man die Authentizität der Geschichte. Hier ist nichts erfunden oder zugedichtet. Dario Pizzano hat dieses Buch geschrieben, um andere teilhaben zu lassen an seiner schmerzlichen, aber auch wunderbaren Erfahrung mit Gott. Das Buch möchte Mut machen: Jeder kann sein Leben ändern und es so leben, wie Gott es von ihm geträumt hat. Es geht darum seine lenkende Hand im eigenen Leben entdecken. Das Buch beschreibt einen Prozess der Suche, der letztlich im praktisch gelebten Glauben mündet. In der Kirche findet Pizzano die Möglichkeit, diesen Glauben in Gemeinschaft zu leben. Heute arbeitet er in der Erwachsenbildung der Diözese Erfurt.

Zielgruppe

Geeignet ist dieses Buch für Leser ab 21 Jahren, die ihre Ausbildung abgeschlossen oder gerade Abitur gemacht haben und eher planlos vor der weiten Welt stehen und nicht wissen, wo ihr Platz in dieser Welt sein wird. Aber auch ältere Menschen, die diese Sinnsuche im Leben kennen, fühlen sich sehr stark von diesem Buch angesprochen.
Mich hat das Buch sehr gefesselt. Ich dachte, dass ich es so nebenbei lesen könnte, musste aber feststellen, dass oft so viel Wahrhaftigkeit und Aussagekraft in vielen Sätzen steckt, die man als Leser gerne erst einmal verinnerlicht, um weiterzulesen.

Exzess: Meine zwei Leben Dario Pizzano, 
Pattloch Verlag 2010, 271 Seiten, 
gebunden mit Schutzumschlag, 13,5 x 20,8 cm
ISBN-10: 3629022421
ISBN-13: 978-3629022424
16,95€

Donnerstag, 1. Juli 2010

Autorenportrait "Stadt Gottes" Heft Juli 2010

Dario Pizzano
Seine zwei Leben


Dario Pizzano hat sein Leben aufgeschrieben. Vor wenigen Jahren, mit Anfang 30 war er am Ende seiner Kräfte, vom Leben auf der Überholspur. Drogen, Alkohol, Partys. Er stieg höher, taumelte schließlich und fiel. Da begegnete der Gott. Diese Begegnung veränderte sein Leben. Eine moderne Bekehrungsgeschichte.


Nichts hetzt ihn mehr. Heute nimmt sich Dario Pizzano Zeit. Gedankenverloren steht der dunkelhaarige, fast zierlich wirkende Mann in der Halle des Göttinger Bahnhofs und wartet darauf, wieder von seinem Buch zu erzählen. So viele Male hat er das in der letzten Zeit schon getan. Geduldig Fragen beantwortet, Details erläutert, Zusammenhänge erklärt. Seit bekannt ist, dass er sein Leben niedergeschrieben hat, interessieren sich viele dafür. Besonders die Medien. Aber er spricht nicht mit allen darüber. Nicht mit solchen, die seine Botschaft missverstehen oder ins schillernde Licht rücken wollen. „Die Bild-Zeitung hat auch angefragt. Aber ich glaube, das wäre der falsche Weg, oder?“, fragt einer, der immer irgendwie in der Öffentlichkeit stand und mit dem Charme seiner italienischen Wurzeln nun doch so jungenhaft zurückhaltend und fast ein wenig unsicher wirkt. Man merkt ihm an, dass alles noch frisch ist. Dass Dario Pizzano noch im Anfangsstadium des Christseins befindet. Und doch schient er weiter zu sein, als so Mancher, der seit 30 Jahren regelmäßig den sonntäglichen Gottesdienst besucht und in der katholischen Tradition groß geworden ist.


In lilafarbenem Pullover und schwarzer Jeans sitzt der Autor am Cafétisch, lacht gewinnend und offen, während er Jacke und gestreiften Wollschal beiseite legt. Die linke Augenbraue zuckt fast ein wenig spitzbübisch. „Klar haben auch einige komisch geguckt, als sie erfuhren, was mir passiert ist. ´Jetzt ist er verrückt geworden´, haben sie gesagt, ´jetzt hat er die Mutter Gottes gesehen, jetzt ist er der Heilige Franziskus vom Eichsfeld. Aber manche sehen vielleicht etwas in mir, was ich nicht bin; ich bin kein Heiliger, kein Prophet – ich bin nur Gott begegnet.“ 

Mit 35 Jahren kann der Vater zweier unehelicher Kinder auf ein Leben zurückblicken, das wahrscheinlich für drei gereicht hätte. Einsamkeit und die Angst vor dem eigenen Tod waren die Schatten, die von Kindheit immer an seiner Seite waren, wie er in seinem Buch „eXzess - meine zwei Leben“ erzählt. Das war eigentlich sein persönliches Buch der Therapie, um Vergangenes zu reflektieren, sein Leben aufzuarbeiten, um endlich mit dem abschließen zu können, was ihn zu zerstören drohte. „Nackt kann die Wahrheit nur sein, wenn sie in Liebe angeschaut wird“, schreibt Pizzano. Viel Neues prasselte in den vergangenen Wochen und Monaten auf diesen jungen Mann ein. Alles habe sich verändert, obwohl er noch immer das mache, was er vorher gemacht habe – „nur eben jetzt für Gott.“


Dario Pizzanos Jugend war nicht einfach; als er drei Jahre alt ist, verlässt sein italienischer Vater seine deutsche Mutter. Die flüchtet sich in immer wechselnde Beziehungen, der Junge sieht seinen Vater nur selten. Einzig bei seinen deutschen Großeltern erfahren er und seine jüngere Schwester ein wenig familiäre Geborgenheit. Schwer sei es ihm beim Schreiben gefallen, wieder in diese schmerzvolle Zeit seiner Kindheit abzutauchen, erklärt der Autor. „Es war aber auch zugleich erstaunlich, wie schnell doch alle Bilder wieder da sind – selbst nach so vielen Jahren“.


Sein Lebenstagebuch erzählt von einem Mann der - mitten im Leben stehend - seine Geschichte erzählt. Unaufdringlich und doch so eindringlich, dass kaum auffällt, wie viele Worte er für die Rückblende findet. Er nippt nur kurz an seinem Latte Macchiato, Dario Pizzano steckt voll vom dem, was er so gerne weitergeben möchte. 

Er sei einer gewesen, dem das Lernen nie schwer fiel, hatte eine Ausbildung zum Industriekaufmann erfolgreich abgeschlossen und war im Anschluss als Geschäftsführer, DJ und Manager eine große Event-Kneipe tätig. Zunächst klingt der Lebenslauf unspektakulär, allenfalls etwas unkonventionell – aber nur, wenn man die Details und Pizzanos Seelenchaos in den Jahren seiner Jugend und seines Erwachsenwerdens beiseite lässt: Dass er bereits mit 13 entschied zum Vater zu ziehen, seinem großen Vorbild. Dort lebte der Junge allein in einer Wohnung, unbeobachtet und unkontrolliert trat er dort langsam seinen seelischen Abstieg an. Partys, Alkohol, Frauen – und letztendlich harte Drogen bestimmen in den Jahren des Heranwachsens seinen Weg. 

Dario Pizzano hatte sich nach außen ein tadelloses Image geschaffen; Um davon abzulenken, wie einsam er wirklich war, welche Angst er vor dem Tod hatte. Schon in jungen Jahren sei er gut darin gewesen, anderen etwas vorzuspielen, schildert er in seinem Buch. Um zumindest nach außen das Defizit an Anerkennung und Zuwendung auszugleichen, das ihm im Familiären versagt geblieben war.


Nach seiner Begegnung mit Gott im Jahr 2006 war schlagartig alles anders. Bis heute. Alles habe sich damals im Auto auf der Landstraße plötzlich klar und frei angefühlt, er habe unendliches Glück und Wärme gespürt, so schildert Dario Pizzano den Moment. Im Geiste hörte er Gottes Stimme, die ihm die unumstößliche Gewissheit gab, dass er nicht alleine sei. Der schlanke Mann schlägt die Beine am Cafétisch übereinander, lehnt sich zurück und nippt erneut an seinem Latte Macchiato „Wenn du dein ganzes Leben auf der Suche bist und kriegst dann dieses unglaubliche Geschenk, Gott erkennen zu dürfen. Zu sehen, da ist jemand, der dich kennt und liebt, das ist was ganz Fantastisches.“

Mit diesem Erlebnis geht er hinaus, möchte darüber sprechen und andere anstecken. Die Zeiten, anderen etwas vorzumachen seien für ihn entgültig vorbei. „Dadurch, dass ich keine Lust mehr habe auf Lügen, darauf, mir Masken aufzusetzen, merken die Leute vielleicht, dass ich echt bin. Sie sehen – der ist offen, also bin ich auch offen. Das ist eine neue Erfahrung für mich.“ Pizzano hat sein Buch zwar für sich geschrieben – gewidmet hat er es aber seinen Freunden. „Sie sind Menschen, die meinen Wandel zwar von außen gesehen haben, aber doch so wenig von mir wissen. Auch wenn wir so viele Jahre miteinander lebten, wissen die meisten nicht, was in meinem innersten Kern los ist.“


Sein Buch sei aber keine Lebensbeichte. Dario Pizzano reflektiert lediglich sein Leben – schonungslos ehrlich und gleichzeitig friedfertig. „Das Buch sollte ein Segen sein für alle, aber nie eine Abrechnung, ich wollte nie jemanden verurteilen oder mich über jemanden stellen. Das ist nicht mein Ding.“ Heute nimmt er sich Zeit für Dinge, die ihm auf der Überholspur nie etwas bedeutet haben: er kocht gerne und genießt es, in der Natur unterwegs zu sein.

Dario Pizzano strahlt innere Ruhe aus, eine geradezu ansprechende Besonnenheit. Mit Gesten unterstreicht er seine Worte. Vor der Veröffentlichung seines Buches habe er großen Druck verspürt, sei unsicher geworden. Dann habe er die Antwort im Gebet gesucht – im Zweigespräch mit Gott, das er bis vor wenigen Jahren nicht kannte. Und ohne das er heute nicht mehr kann. Nur Gottes Zuspruch reichte in diesem Fall nicht. „Dann kam mir der Gedanke: Schick es deiner Mutter.“

Der Frau, zu der er lange Zeit kaum Kontakt hatte. Mit der er aber schon vor Monaten seinen Frieden gemacht und sich ihr wieder angenähert hat. Auf die Post ihres Sohnes antwortete sie mit einer berührenden SMS. Sätze, nach denen Pizzano sich so lange gesehnt hat, wie er mit verhaltener, nachdenklicher Stimme bemerkt. Bei seinem Vater hatte er weniger Erfolg. Er hege aber keinen Groll mehr gegen den Mann, um dessen Anerkennung und Liebe er Zeit seines Lebens gebuhlt hatte. Vater und Sohn hatte die Tatsache auseinander getrieben, dass Dario nicht wie vom Vater gewünscht, in dessen Fußstapfen getreten ist. Auch wenn es zeitweise so aussah.


Denn nach einem kalten Drogenentzug mit Mitte Zwanzig hatte der Vater dem Sohn die Hand gereicht und machte ihn zum Geschäftsführer des Gastronomiebetriebes. Pizzano sah kurzweilig eine Perspektive, lebte in einer festen Beziehung und wähnte sich glücklich. Doch immer wieder habe er etwas gespürt, das ihm fehlte, das nicht echt gewesen sei. Er suchte Antworten – in philosophischen Werken und im Buddhismus. Klären konnte er seine Sinnfragen aber auch dort nicht. Seelisch und körperlich ausgelaugt begegnete er schließlich Gott.


Dieser Einschnitt ist für ihn entscheidend: Nach seiner ersten Beichte bei einem Priester verschlingt er förmlich theologische Bücher – rund 300 in nur wenigen Monaten. Begeistert stürzt er sich in ein theologisches Fernstudium. „In der Bibel fand ich endlich Antworten, auf all meine Fragen. Das war unglaublich.“ Doch alles andere ging weiter bergab; eine langjährige Beziehung zerbrach, die Arbeit im väterlichen Berieb erschien ihm immer sinnloser. Dann die Diagnose: Burn-out. Infarkt der Seele. „Ich musste etwas ändern. Zur Ruhe kommen. Dinge beenden.“Ruhe zum Nachdenken fand er in einem Kloster in Bochum-Stiepel. Dort konnte er seine Perspektiven neu ordnen und klarer sehen, was Gott ihm vorgab. „Eines hat mich getröstet: Wenn Er der Steuermann ist, muss ich mich nicht um den Kurs sorgen.“ Der Kurs, den Pizzano einschlug, scheint tatsächlich von Gott gegeben. „Das ging seit meiner Entscheidung, Jesus mein Leben zu geben; die Dinge kamen immer wieder einfach auf mich zu und ich musste immer nur noch ja sagen und zugreifen.“

So war es auch mit seiner neuen Aufgabe in seiner Heimatdiözese Erfurt. Wie maßgeschneidert klang die Stellenanzeige, auf die er sich bewarb. Nun ist Pizzano seit letztem Sommer verantwortlich für kirchliche Bildungsarbeit. Fragt man ihn danach, wie sich sein Leben verändert hat, zuckt er gelassen mit den Schultern. „Gar nicht so sehr – ich mache fast das Gleiche wie früher. Ich organisiere Veranstaltungen und Vorträge, ich bin wieder eine öffentliche Person – aber eben mit einer Geschichte, an der sich die Leute reiben können. Letztlich spüre ich, dass Gott nichts von meiner Identität ausgelöscht hat, sondern sie einfach mal neu verwandelt hat.“.


Auch sein privates Glück hat er endlich gefunden: Er hat eine neue Partnerin an seiner Seite, seine beiden Kinder sind regelmäßig bei ihm, der Kontakt zu Mutter und Schwester ist wieder da, Freunde die ihm zeitweilig den Rücken gekehrt hatten, sind zurück. Dario Pizzano schaut nach vorn. „Ich wünsche mir, das die Menschen bei meiner Geschichte vor allem eines sehen: Das da wirklich jemand ist, an den man sich wenden kann. Er hatte mich die ganze Zeit auf dem Schirm - nur ich habe ihn erst vor kurzem gesehen.“ 

für die "Stadt Gottes" Judith Bornemann