Den Papst nicht an einem Abend kennen lernen
Prof. Dr. Josef Freitag sprach im sehr gut besuchten
Eichsfeldforum
Heiligenstadt. (cb)
Der fesselnde Vortrag begann mit
einer Frage des Referenten: „Wie stellt man jemanden vor, den Sie kennen? Sie haben ja längst
gelesen, wann er geboren ist, wo er gelebt hat...“.
Mussten sich die
Organisatoren des Eichsfeldforums noch nie über mangelnden Besucherzuspruch
beklagen, machte die Abendstunde am Donnerstag, 22. Januar 2015, deutlich: Es
gab noch eine Steigerung. Die Zuhörer
waren ins Marcel-Callo-Haus geströmt, um beim ersten Eichsfeldforum des
Jahres 2015 Antworten auf die Fragen zu erhalten: „Alles neu? Wer ist Papst
Franziskus?“
Dario Pizzano als Ansprechpartner für die hochkarätige Reihe
begrüßte hierzu Prof. Dr. Josef Freitag, Professor für Dogmatik an der
Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Josef Freitag, der
1976 zum Priester geweiht wurde, studierte Philosophie und Theologie an den
Universitäten Münster, Strasbourg und Rom. Dario Pizzano verwies darauf, dass
die Worte und das Handeln des Oberhauptes der katholischen Kirche in aller
Munde und in allen Medien seien.
Im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Papst
Benedikt XVI habe Franziskus „bei gleicher Sache und gleichem Glauben einen völlig
neuen Stil entwickelt“, so Prof. Freitag, um hinzuzufügen: „Sie werden ihn
nicht heute Abend, aber permanent kennen lernen.“ Der neue Papst könne uns auf Dinge aufmerksam
machen, „die wir nicht sehen.“
Sehr zum Nachdenken anregend sind die Worte des
Theologen und Lehrenden zur Weihnachtsansprache des Papstes an die Leiter der
vatikanischen Kurie. Da könnte jetzt so mancher ausrufen: „Er hat denen aber
ganz schön die Meinung gegeigt und die Leviten gelesen!“ Doch sei vielmehr zu
fragen: „Was trifft davon auf mich selber zu? Blicke ich schadenfroh auf andere
oder betrachte ich die Worte der Weihnachtsansprache als Hilfe für mich?“
Kritisch blickte Prof. Freitag auf Erscheinungen unserer heutigen Kultur, die
häufig darauf gerichtet seien, narzisstisch und selbstzentriert zu bleiben,
selbst gut dazu stehen, niemanden an sich „ranzulassen“, sich mit dem Anliegen
zu beschäftigen: „Wie beeinflusse ich andere?“
Einen nicht unbeträchtlichen
Teil des Abends widmete der Gast dem viel beachteten Apostolischen Schreiben
des Heiligen Vaters vom 24. November 2013 „EVANGELII GAUDIUM“ („Die Freude des
Evangeliums“), gerichtet auch an die „christgläubigen Laien“. Damit verkünde
der Papst – das unterstrich der Dogmatik-Professor – kein Regierungsprogramm.
Der Hinweis des Referenten lautete, den Text zu lesen, um das Neue kennen zu
lernen. Nicht nur für die Bischöfe, Priester, Diakone, sondern für alle
Getauften sei dieses Programmschreiben bestimmt, wolle doch Franziskus darin
klar machen: Die Begegnung mit Jesus gebe Kraft und stehe jedem Menschen offen.
Die Jünger Jesu – dies als Anmerkung Prof. Freitags – hätten, um das Evangelium
zu verkünden, keine Zeit für eine Ausbildung gehabt, sondern mit dem Herzen
gehandelt.
Die sich anschließende angeregte Diskussions- und Fragerunde zeigte
sehr deutlich, wie sich die Zuhörer mit der Person Papst Franziskus und seinem
Tun beschäftigten. Eine Bemerkung Professor Freitags wirkt über den Abend
hinaus: „Sie werden Franziskus nur verstehen, wenn Sie selber Jesus begegnen.
Das traut Ihnen Franziskus zu.“
Christine
Bose